Mario Luzi

Ich fand in Landsberg alte Exemplare der Zeitschrift adesso, mit der man Italienisch lernen kann. Ich einer Ausgabe (12/99) wurde der große italienische Poet Mario Luzi (1914-2005) interviewt. Er sollte etwas über die Menschheit in ausgehenden Jahrhundert sagen.

Luzi veröffentlichte 1935, als 21-Jähriger, seinen ersten Gedichtband, um der Brutalität und Vulgarität, die im Jahr 1935 herrschte, die Schönheit der Poesie entgegenzuhalten. Er gehört nach vielen weiteren Bänden zu den wichtigsten italienischen Dichtern des 20. Jahrhunderts und ist mit Eugenio Montale, Umberto Saba, Alda Merini und Ungaretti zu nennen.  

Mario Luzi hat immer in Florenz und Umgebung gelebt und ist dort auch Ende Februar 2005 gestorben, 90 Jahre alt. Ich will die Schlüsselstelle des Interviews wiedergeben, in der man schön sieht, wie ein Dichter schwer Fassbares in Worte zu bringen versucht; es ist nicht ganz klar und auch schwer zu übersetzen, da das Italienische gern etwas vage bleibt (die cose, die Dinge …), aber eine Ahnung, was er meint, fliegt einen an.  

»Aber beim Wert der Dinge, bei der Bedeutung der Dinge des Alltags, bei unserem Gebrauch von ihnen, bei unserer täglichen Routine, da gibt es viel Unsauberkeit. Auch bei den Jungen sieht man es, wie etwas weggeworfen wird: etwas ist eine Weile neu, und dann wird es schnell abgelegt. Wir leben in einer Welt von vielen Bedeutungslosigkeiten [insignificanze], von zu vielen Bedeutungslosigkeiten, die es damals vielleicht nicht gab, weil in jener genauer umgrenzten Welt die Dinge, die lange zum Menschen gehört hatten, Sinnhaftigkeit und Bedeutung annahmen, die nicht auszulöschen waren. Dann denkt man auch an diese ökonomischen Entwicklungen, das internationale Finanzwesen, an diese große Masse von unfassbaren und unausdenkbaren Dingen. Wohin gehen wir damit? Der Mensch bringt im Angesicht der Abstraktionen, die nun die Welt beherrschen, seine Identität und seinen Status in der Gegenwart in Gefahr. Und welche Rolle wird er spielen, der Mensch?« 

Der Mensch der Zukunft, überlegt der Dichter, werde sich immer noch Mensch nennen, aber er werde es vielleicht nicht in dem Sinne sein, in dem sie Menschen gewesen seien, früher. »Das ist genau das Problem, mit dem das Jahrhundert schließt. Diese Fragen habe ich mir gestellt.«

Ein Kommentar zu “Mario Luzi”

  1. Regina

    Lieber Manfred,

    „wenn wir die Bedeutung aufgeben ist nichts übrig! Nichts, Gar nichts, Niente! Ist die Bedeutung nicht wichtiger als alles andere? Natürlich“… ist das Fazit aus einem Buch von Janne Teller für Jugendliche im 21. Jh. ciao, Regina