Der Mord an Banaz
Die 1977 in Oslo geborene Deeyah hat für ihren Film Banaz – a love story in den USA einen »Emmy« für den besten Dokumentarfilm bekommen. Las ich vorgestern auf Aftenposten; dabei war die Verleihung schon vor zwei Wochen. Die Zeitung hat den Film bereitgestellt, und ich habe ihn mir angesehen. Banaz war 21 Jahre alt, hübsch, verliebt, und wurde von ihrem Vater und vier weiteren männlichen Verwandten ermordet.
Banaz wurde am 16. Dezember 1985 im Irak geboren. Mit ihrer kurdischen Familie kam sie 1995, als sie zehn Jahre alt war, nach London. Sie erhielten als Verfolgte von Saddam Hussein Asyl. Banaz war ein sanftes Mädchen. Sie hatte vier jüngere Schwestern und einen Bruder. »Sie war schön«, sagt eine Schwester. »Man wollte sie die ganze Zeit nur anschauen. Leider haben Frauen bei uns keine Rechte.«
Mit 17 Jahren verheiratet sie die Familie mit einem entfernten Bekannten. Er schlägt und vergewaltigt seine Frau andauernd. Bei einem Essen mit Freunden spricht sie ihn mit Namen an, was Ehefrauen nicht dürfen. »Wenn du das noch mal machst«, sagt der Mann, »stecke ich ein Messer in dich hinein.« Er habe immer seinen Willen haben müssen. Nach dreijährigem Martyrium und vielen erlittenen Verletzungen geht Banaz zur Polizei.
Im Film sieht man das Video ihres Besuches. Wir sehen sie im Verhörraum sprechen. Es war der 10. Oktober 2005. Eine Beamtin hörte sich alles an, aber nichts geschah. Banaz verlässt ihren Mann. Das ist für eine kurdische Frau unerhört. Niemand hilft ihr. Sie ist alleine. Sie beschreibt ihre vier Onkels in ihrem Tagebuch und ergänzt: Wenn mir etwas passiert, waren es sie.« Sie wusste: »Wenn ich weglaufe, bin ich tot. Wenn ich nach Hause zurückgehe, bin ich tot.“
Sie verliebt sich in Rahmat. An Silvester lockt sie ihr Vater ins Haus der Großmutter. Sie weiß, dass er sie töten will, kann aber fliehen. Täglich schreibt sie zwei SMS an Rahmat: »I love you so much XXXXX.« Einmal werden sie gesehen, wie sie sich vor einem Bahnhof küssen. Dann trifft sich anscheinend der (männliche) Familienrat und fällt das Todesurteil.
Am 25. Januar 2006 wird Banaz als vermisst gemeldet. Erst im März findet man ihre Leiche, in fötaler Position in einem Koffer hockend, zwei Meter tief in der Erde vergraben. Am 24. Januar haben der Vater und die vier Verwandten, die untereinander Cousins sind, sie zu Hause überfallen. Banaz wird mehrmals vergewaltigt, dann erdrosselt man sie mit einer Drahtschlinge. »Nach vier oder fünf Minuten entwich ihre Seele«, beschrieb später einer der Täter.
Vater Mahmud sowie Ali und Mohammed werden zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Die zwei fehlenden Mörder sind geflüchtet und brüsten sich in Cafés im Irak, wie sie Banaz vergewaltigten. Die englische Polizei spürt sie auf. Die beiden sind 2010 die ersten Iraker, die nach England ausgeliefert werden. In dem Jahr 2010 gab es in Großbritannien 3000 »Ehrenmorde«, wie diese scheußlichen Taten genannt werden.
Die Regisseurin Deeyah denkt nicht in erster Linie, dass die Emmy-Auszeichnung ihr viele Türen öffnet. Sie denkt immerzu an Banaz und freut sich, dass sie ihr Schicksal erzählen konnte.