Rabindranath Tagore
Vor hundert Jahren erhielt der Inder Rabindranath Tagore als erster Schriftsteller außerhalb der westlichen Welt den Literatur-Nobelpreis. Er war ein junger Preisträger, erst 52 Jahre alt. Danach wurde er auf neun Weltreisen der Botschafter Asiens und des Ostens.
In einem Antiquariat fand ich vor einiger Zeit die Liebesgedichte von Tagore, und im Nachwort berichtet über das Leben des Autors Martin Kämpchen, der für die FAZ seit vielen Jahren aus Indien berichtet. Im Mai 2011 schrieb er den Beitrag Selig sei er gepriesen, aber besser noch gelesen über Tagore, den Kämpchen selber übersetzt hat.
Rabīndranāth Tagore wurde 1861 als vierzehntes Kind der »damals bedeutendsten Kulturfamilie Bengalens geboren«, schildert Kämpchen. Alle Brüder oder Schwestern waren brillant, vital oder genialisch verrückt.« Mit 40 Jahren war er ein bedeutender Lyriker und Theaterautor, hatte Romane geschrieben und sich sozial engagiert. In Santiniketan 150 Kilometer nördlich von Kalkutta, seinem Geburtsort, blieb er wohnen, und da wohnt auch der FAZ-Autor. Der Nobelpreis war eher Zufall. Tagore selbst hatte Gedichte von ihm ins Englische übersetzt, die dem Nobelpreiskomitee in die Hände fielen, und so bekam er als junger Mann, kaum über 50, den Preis. Als Friedensstifter, Pädagoge und Philosoph reiste er durch die Welt, bis man von Frieden nichts mehr hören wollte. 1941, mit 80 Jahren, ist Tagore gestorben.
Wie bei Ibn Arabi (1165-1240) kann man nicht genau ausmachen, ob sich die Liebesgedichte an eine Frau richten oder an den Allerhöchsten oder an beide. Hier ist ein Beispiel, übersetzt von Kämpchen:
Eins will ich werden mit dir,
drum hat sich der Himmel gefüllt mit Licht.
Eins will ich werden mit dir,
drum grünt die Erde voll Zuversicht.
Eins will ich werden mit dir,
darum umfängt die wachende Nachts mit ihrem Schoß die Erde.
Mit sanften Klängen öffnet die Dämmerung das östliche Tor,
damit es Morgen werde.
Das Boot der Hoffung treibt in ew’ger Strömung der Einheit zu.
Blumen so vieler Zeiten blühen auf,
um zu füllen meinen Hochzeitsteller.
Eins will ich werden mit dir,
heut und immer, in der ganzen Welt,
drum sucht mein Herz im Hochzeitskleid
meinen Herrn in Ewigkeit.
Die 1931 geborene Kanadierin Alice Munro hat 100 Jahre nach Tagore den Nobelpreis für Literatur bekommen. Rolf Hannes hat mich auf sie hingewiesen, und ich las sie dann intensiv. Für mich sind es ihre kleinen Beobachtungen und Erkenntnisse, die ihre Arbeit lesenswert machen, wie sie etwa in Vandals schreibt, Frauen seien gern auf der Suche nach dem Wahnsinn (insanity), der sie umhüllen könnte. Die Suche der Frau.
»Denn was wäre das Zusammenleben mit einem Mann, wenn es nicht ein Leben innerhalb seines Wahnsinns wäre? Ein Mann könnte einen sehr gewöhnlichen, einen fast unmerklichen Wahnsinn besitzen wie seine Hingabe an eine Mannschaft, die Ball spielt. Aber das würde vielleicht nicht reichen – und ein Wahnsinn, der nicht groß genug ist, erniedrigt eine Frau und stimmt sie unzufrieden.«
am 17. Oktober 2013 um 16:58 Uhr.
Lieber Manfred,
und trotzdem bringt mich dieser Wahn um den „Sinn“!?! Und jeder hat doch irgendwelche Leidenschaften… und wenn man sich rausnehmen kann und einfach seinen eigenen Wahnsinn frönt, fühlt sich die Frau doch nicht erniedrigt – man muss nicht alles verstehen… Auf CD läuft gerade Ringsgwandl, der übrigens auch sagt: „nur Irre haben mein Zeugs im Plattenschrank“ Na dann, viele Grüße, Regina