Japanische Gärten
Laurens van der Post beschäftigt sich in seinem Buch Yet Being Someone Other mit seinem Verhältnis zum Meer, aber auch zu Japan. Da ich bekennender Japan-Liebhaber bin, habe ich diese Seiten mit Begierde gelesen. Es war um 1929, als er die Kaiserstadt Kyoto betrat und deren vielen Pagoden und Tempel und Gärten sah.
Aufgeschrieben hat er seine Eindrücke mit 76 Jahren, und darum lernen wir so viel. Die Barockgärten in Frankreich kennen wir, Versailles ist das beste Beispiel. Franzosen sind rational und haben den Garten klar und symmetrisch gestaltet. Da gibt es nichts, was so wachsen darf, wie es will. Heute noch trifft man diese Ordnungssucht in französischen Städten an: Die sind oft üppig möbliert mit Pollern und Mauern, mit verschiedenfarbigen Fahrstreifen und Signalen. Dann aber bricht ein zweiter Persönlichkeitsanteil durch: Der, dem vieles egal ist. Wegen abwesender Beschilderung findet man dann die nächste Ortschaft nicht.
Bei meinem letzten Frankreichaufenthalt habe ich auch einen neuen Ausdruck gelernt: »C’est pas evident!« Auf deutsch: unklar. Nicht offensichtlich. Das rief eine Frau aus, als sie, unsicher auf dem Rad, an mir vorbeimusste, und das sagte eine weitere Frau, als es um den Weg nach Béziers ging. Es heißt also: riskant. Was nicht klar vor Augen ist, ist gefährlich.
Die Engländer schufen dann den Englischen Garten, und in München haben wir seit über 200 Jahren ein schönes Beispiel. Kein mathematischer Aufriss, sondern schöne Durchblicke, eine Art Landschaftsgemälde, durch das man wandert. Es wirkt natürlich, ist gleichwohl künstlich: Natur, wie der Mensch sie sich wünschte. Wikipedia nannte die Erscheinung des Schmuckeremiten. Das waren Männer, die gegen Geld eine Eremitage bewohnten, manchmal sieben Jahre lang, und sich zu festgelegten Zeiten zeigen sollten. Das sagt alles über den Geist der Erbauer.
Die Japaner greifen nicht gern in die Natur ein. Auch da ist es nicht einfach. Fukushima und der Zweite Weltkrieg , das müsste man erklären. Ich spreche von den alten Japanern der vergangenen Jahrhunderte, die etwa den Garten des Tempels des Himmlischen Drachen bauten, den Van der Post besuchte. Er schreibt:
»’Schön’ würde ihn ein europäischer Gartenbauer nicht nennen. Ich fürchte, die Gärtner meiner Welt würden ihn als naiv, eigenartig, pittoresk und als eine verzerrte Heraufbeschwörung von Natur bezeichnen. Wieder gab es keine Übertreibung, keine Rhetorik mit oder Zurschaustellung von Blumen, kein verzierendes Strauchwerk. Die Inspiration für den Garten kam aus demselben Reich der Vorstellung, aus dem die Schreine, Pagoden und Tempel kamen. (…) Es war das Produkt einer tiefen und unverbrüchlichen Partnerschaft mit dem Natürlichen.«
»Vereinfacht gesagt könnte man behaupten, dass der europäische Garten eine Schöpfung des Intellekts sei, dieser Tempelgarten und tausend andere jedoch aus einer Liebe zur Natur entstanden seien, in der alles eine Form, einen Wert und ein Recht hatte, seine Würde zu bewahren. Der Gärtner war der Forscher einer inneren Beziehung, einer geheimen Sympathie, die verborgen war im Überfluss und in der Verschiedenheit der Natur, und so gab er sich Mühe, deren zugrunde liegendes Muster im kleinen und kleinsten Massstab zu reproduzieren, damit der ursprüngliche Gedanke für den Geist wahrzunehmen wäre und ihm Vorbild sein könne.«
Dazu noch eine Passage aus dem LiebfrauenBrief, den ich aus Frankfurt mitbrachte: »Leonardo Boff, der große lateinamerikanische Theologe, erzählte einmal von Bruder Bonaventura, dem Gärtner von Portiunkula, der einem Gast seinen Garten zeigte. Er ist voller Gemüse, Weinstöcke, Feigen und Blumen. Aber eine Ecke ist ungepflegt. ›Was ist das denn dort, Bruder Bonaventura?‹ Unschuldig lächelt er: ›Das sind unsere kleinen Schwestern, das verflixte Unkraut. Dort lass ich sie wachsen, weil sie auch Gottes Töchter sind und die Schönheit des Schöpfers preisen.‹«