Ein Tag mit Musik

Der vergangene Freitag gehörte irgendwie der Musik, und die Krönung war das Konzert der Jazzband Horace Scope in einem Restaurant an der Via Cassia. Notker Eberle, ein guter Freund von Romano, ist der Pianist des fünfköpfigen Ensembles, das Titel des Jazzpianisten Horace Silver spielt. 

Am Vormittag war ich, wie gestern beschrieben, in Madonna delle Grazie gewesen. Da saßen weiter vorn in diesem Kirchlein drei ältere Damen, die stockend und unsicher vor sich hinsangen, immer wieder abbrachen und neu anfingen. Jesus und Maria kamen natürlich im Text vor. Schön ist dieses öffentliche Singen. Ich denke manchmal daran, dass mir eine Nachbarin erzählte, im Markgräflerland hätten früher alte Männer in der Weinstube plötzlich angefangen zu singen, allein vor ihrem Glas mit dem Viertele. Manchmal singt man eben, nur für sich selber, weil man etwas und sich selbst ausdrücken will.

 

Dann war die Sonne untergegangen, und ich nahm im Zug nach Rom. Er fährt oberhalb der Staatsstraße 1, der Aurelia, die wiederum nach Santa Marinella ein paar Kilometer genau der Küste folgt. Das Meer lag schweigend da und wurde langsam blauschwarz und dann schwarz. Im Abteil saß weiter hinten ein junger Araber, klopfte auf einer Trommel herum und sang wehklagende Lieder dazu. Er sang nicht laut, eher verhalten und zögernd, und traurig klang es, wie Volksmusik in aller Welt traurig klingt, weil das Leben wohl so ist. Das Meer wich immer weiter zurück, der Zug wandte sich von ihm ab und fuhr auf die große Stadt zu.

 

Später saßen dann Romano und ich in dem vietnamesischen Lokal, und die Band fing an. Hardbop heißt der Stil, populär in den 1950-er Jahren gewesen. Das ist natürlich eine andere Situation: Band vor Publikum. Doch Jazz ist immer introvertiert gewesen, und so handelt es sich um ein Gespräch der Musiker untereinander, an dem die Zuschauer teilhaben dürfen. Musik ist auch immer regelhaft und streng, und im Bop ist das schön mitzuerleben.  

Ein Konzert besteht aus zwei Sets, jeder Set aus sechs bis zehn Titeln, und jedes Stück ist gleich aufgebaut. Die Band setzt gemeinsam ein, und dann bekommt jeder der Musiker sein Solo, bis dann die drei Rhythmus-Mitglieder (Schlagzeug, Bass und Klavier; im Bop spielt das Klavier Akkorde und gehört darum zur rhythm section) ganz sanft untereinander konferieren. Dann neuer Einsatz der Bläser (Trompete und Saxofon), unisono, bis zum Finale. Die Klaviersoli von Notker waren unübertroffen; das Klavier spricht zu uns wie kein anderes Instrument. (Illustration: Notker Eberle, leider etwas phantomhaft.) 

Das alles läuft dahin wie ein Fluss, zielsicher und fröhlich bewegt, es ist ein Ritual, das den Zuschauern Energie schenkt und überhaupt ein Wunder ist.

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