Jerusalem

Schreiben wir mal über Jerusalem. So ein schönes Wort! Es ist nicht nur eine heilige Stadt der Juden (und auch der Moslems), sondern auch eine Utopie. Als letzten Satz eines Buches schrieb André Kaminski: »Damit schließe ich und wünsche Ihnen, wie es die Juden zum Abschied zu tun pflegen: Nächstes Jahr in Jerusalem!« Wir schließen noch nicht, wir fangen erst an.

Das Buch heißt auch Nächstes Jahr in Jerusalem, meins ist von 1990, zehnte Auflage, und bald danach, Anfang 1991, ist der Autor Kaminski dann (in Zürich) hinübergegangen ins himmlische Jerusalem. Nächstes Jahr oder irgendwann  Jerusalem errichten, jedenfalls: nie Jerusalem vergessen!  

Kürzlich ließ ich mir von Marian, der aus Schlesien stammt und hier am Ort tätig ist, das Gedicht Notatnik: Bon Nad Lemanem auseinandersetzen, das Czesław Miłosz (1911-2004) geschrieben hat. Da gibt es den ungeheuren Satz: »Jeśli zapomnę ciebie, Jeruzalem, / Niech, mówi prorok, uschnie mi prawica.« Wenn ich dich vergessen sollte, Jerusalem, spricht der Prophet, soll mir die rechte Hand verdorren.  

Und, nicht zu vergessen: eines der grössten Gedichte, die je geschrieben wurden, wie der Autor selber sagte … doch der Vorwurf des Eigenlobs zerfällt, wenn man weiß, dass er angab, er sei nur der Sekretär gewesen; die Autoren säßen in der Ewigkeit. Der Mystiker, Maler und Dichter William Blake (1757-1827) war der Sekretär für Jerusalem 

And did those feet in ancient time
Walk upon England
’s mountains green?
And was the holy Lamb of God
On England’s pleasant pastures seen?

And did the Countenance Divine
Shine forth upon our clouded hills?
And was Jerusalem builded here
Among these dark Satanic Mills?

Bring me my bow of burning gold!
Bring me my arrows of desire!
Bring me my spear! O clouds, unfold!
Bring me my chariot of fire!

I will not cease from mental fight,
Nor shall my sword sleep in my hand,
Till we have built Jerusalem
In England’s green and pleasant land.

Ich kann das Gedicht nicht lesen, ohne an die Fassung von Emerson, Lake & Palmer (die sich dafür Emerson, Blake & Palmer nennen hätten sollen) auf Brain Salad Surgery zu denken, und, kaum zu glauben, auf Youtube gibt es eine Aufnahme des Songs vom Juli 2013 aus meiner Lieblingsbasilika in Rom, San Paolo fuori le Mura! – Das Album enthält auch ein wundervolles Liebeslied von Greg Lake, das er in einer Aufnahme 1974 singt: Still … You Turn Me On. Es darf nicht in Vergessenheit geraten!

Die Übersetzung (in Prosa):

Wandelte dieser Fuß in alter Zeit auf Englands grünen Bergen? Wurde das heilige Lamm Gottes auf Englands lieblichen Weiden gesehen? Leuchtete das göttliche Antlitz auf unseren umwölkten Hügeln? Und wurde Jerusalem hier erbaut, unter diesen dunklen satanischen Mühlen? Bringt mir meinen Bogen aus brennendem Gold! Bringt mir meine Pfeile des Begehrens! Bringt mir den Speer! O Wolken, tut euch auf! Bringt mir den Feuerwagen!  

Ich ruhe nicht in meinem Streit,
Mein Schwert ruht nicht in meiner Hand,
Bis wir erbaut Jerusalem
In Englands grünem, heit’ren Land.

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