Die Schweiz und der Wille
Heute zum Schweizer Nationalfeiertag ein Exkurs zum Willen. Interessant fand ich, was mir kurz vor dem WM-Endspiel in Rio hinterbracht wurde: Die Schweizer erklärten sich die deutschen Fußball-Erfolge mit dem starken Willen der Akteure ihres großen Nachbarn. Die Schweizer hatten 1291 immerhin den Willen, die Eidgenossenschaft zu gründen.
Mit dem Willen im allgemeinen ist es schwierig, und im Fußball sowieso. Die Schweizer kamen in Brasilien ja weit, aber auch mit dem zehnfachen Willen hätten sie vermutlich den Cup nicht geholt. Der Wille versetzt vielleicht Berge, knackt aber nicht das deutsche Abwehrbollwerk oder schießt Tore gegen Neuer, wenn das Spielermaterial es nicht hergibt.
Ohne Wille geht gar nichts, aber manchmal ist der Wille auch etwas Passives und bedeutet, etwas hinzunehmen und auf sich zu nehmen auf dem Weg zum Sieg. Wenn eine Mannschaft etwas erreichen will, müssen einige zurückstecken und alle sich in den Dienst der Mannschaft stellen. Man denkt zunächst ja immer an den brachialen Willen des Boxers oder den des Ausreißers im Radsport.
Seit dem Nationalsozialismus ist der Wille verpönt, aber das ist lange her, und so posaunte das deutsche Fernsehen vor dem Spiel gegen Frankreich, es sei ein Spiel des Willens. Das kann jemandem sauer aufstoßen, der an den Film Triumph des Willens von Leni Riefenstahl dachte, die 1935 den Nürnberger Reichsparteitag pompös vom Jahr zuvor darstellte. Da war die Botschaft: Euer Wille erobert die Welt; aber eigentlich hieß es: Gebt euren Willen ab und gehorcht einfach, den Rest machen wir. Am Ende wollte es keiner gewollt haben.
Die Schweiz hatte im Ersten Weltkrieg ihren General Ulrich Wille, der Deutschland verehrte, aber auch den Willen verkörperte, man werde die Schweizer Neutralität auf jeden Fall verteidigen. Der Journalist Niklaus Meienberg hat 1987 das Buch Die Welt als Wille und Wahn geschrieben und General Wille einer Kritik unterzogen.
Man braucht anscheinend eine Erklärung, und ist es nicht der Wille, dann ist es das Glück, aber dass jemand sagt Die waren einfach besser, kommt selten vor. Die Schweiz gibt es seit 723 Jahren, das ist schön, und wir gratulieren wieder einmal.