Zwillingsforschung
Das ist noch ein Restthema aus diesem Jahr, das ich vor mir herschob. Larry Dossey hat in einem Artikel 1997 über Zwillingsforschung geschrieben. Es gab Zwillinge, die früh getrennt wurden und nach vielen Jahren wieder zusammenkamen. Das gab eine Überraschung!
Die Überraschung bestand darin, dass die beiden eineiigen Zwillinge trotz eines unterschiedlichen Lebens sich in vielem so ähnlich waren, dass es alle verblüffte. Jim Springer und Jim Lewis kamen 1979 zusammen, nachdem sie 39 Jahre getrennt gewesen waren. Beide hatten drei Söhne, beide waren geschieden, und ihre erste Frau hatte jeweils Linda geheißen, die zweite Betty. Beide hatten einen Hund namens Toy, tanken Miller Lite Beer, rauchten Salems, fuhren Chevrolet, hassten Baseball und liebten Stock-Car-Rennen.
Lo & Clu. Illustration von Rolf HannesGanz dramatisch war der Fall von Oskar Stöhr und Jack Yufe, die in Trinidad einer Deutschen geboren wurden, während der Vater Israeli war. Oskar wuchs in Deutschland als Katholik und Mitglied der Nazi-Jugendpartei auf, Jack blieb in der Karibik und verbrachte viel Zeit im Kibbuz in Israel. Oskar heiratete und war Produktionskontrolleur in der Industrie und in der Gewerkschaft engagiert, Jack hatte in San Diego einen Kleiderladen und arbeitete gern.
Als sie sich nach Jahrzehnten wiedertrafen, trugen beide blaue Hemden, die gleichen Brillen, und beide hatten exakt geschnittene Schnurrbärte. Sie liebten scharfes Essen und süßen Likör, waren oft geistig abwesend und schliefen beim Fernsehen gern ein. Sie lasen Zeitschriften von hinten nach vorn und tunkten ihr Butterbrot in den Kaffee. – Paradox bei den Zwillingen ist, dass erst die Trennung zur Verähnlichung führt, denn Zwillinge, die zusammen bleiben, tendieren dazu, sich voneinander abheben zu wollen.
Das betrifft die alte Streitfrage nature or nurture, wie das im englischen Sprachraum heißt: Was ist einflussreicher – die Gene oder die Umwelt? Der Streit geht seit vielen Jahren hin und her. Ich meine auch, dass das Erbgut wichtiger ist und sich durchsetzt, das Bewusstsein bestimmt das Sein. Dossey wirft aber auch in die Diskussion, dass die Zwillinge womöglich über Raum und Zeit hinaus sich gedanklich beeinflussten. Der Geist ist nichtlokal, sagte er, und 1989 sprach er von nonlocal mind. Nichtlokal heißt: überall sein, Wirkung über die unmittelbare Umgebung hinaus; vielleicht ist das Bewusstsein unendlich, und es gibt keine Grenzen zwischen zwei Menschen. Vielleicht gibt es überhaupt nur ein Bewusstsein.
Und vielleicht sollten wir versuchen, den Dualismus Gene/Umwelt zu überwinden. Klar, man will Antworten und Regeln. Aber für den Einzelfall gibt es beim Menschen keine Regeln; Gene und Umwelt wirken zusammen und bringen ein Ganzes hervor.
Interessanter finde ich den Gedanken, dass Zwillinge irgendwie zwei Versionen sind. In allen Mythologien kommen Zwillinge oder Brüder vor, und machmal ist einer gut, der andere schlecht (Kain tötet Abel), der eine Sonne, der andere Mond, und zusammen sind sie eins.
Ich stelle mir vor: Ich habe im Laufe meines Lebens eine andere Entscheidung gefällt und lebe woanders, habe einen anderen Job, ein anderes Fahrrad, eine andere Frau. Aber doch bin es ich, der über all ich ist. So gibt es vielleicht viele mögliche Versionen von mir (viele Entscheidungen gab es), was ja die Viele-Welten-Theorie von Hugh Everett III nahelegt. Und vielleicht habe ich schon viele viele Male gelebt und so vieles ausprobiert, dass ich selber eine kleine Menschheit bin, ein Amphitheater voll mit Versionen von mir … und so wir alle, und alle sind wir vielleicht nur Versionen des Großen Bewusstseins, das uns nach Herzenslust spielen lässt.
am 29. Dezember 2014 um 11:08 Uhr.
…sag`ich doch schon immer: Wenn meine Zwillingsschwester und ich in einer Tonne kräftig durchgermischt werden würden, wären wir fast perfekt!! Heute sind wir die besten Freundinnen – und richtig! Jede wollte sich in jungen Jahren von der anderen abgrenzen, da wurde viel gestritten – bestimmte Macken bleiben ewig. Allerdings sind wir zweieige Zwillinge! Viele Grüße und ciao Regina