Neue Wege

Es war 2/2, als ich manipogo zweitägig gemacht hatte, und ich verließ die Sauna in Badenweiler, und Schnee war gefallen. Ich fuhr langsam auf dem Gehweg, fuhr in den Schnee meine erste Spur mit dem Rad, und das war schön. Wenn du dich täglich verändern kannst, meinte Konfuzius, tu es!

Aber im Schnee fahren, ist das eine Veränderung? Nicht ich verändere mich, etwas verändert mich, fast unmerklich. So kommt es mir vor. Irgendwie hatte ich die Vorstellung, ich würde mit Hingabe an diesem Buch arbeiten wollen. Aber es gab und gibt Widerstände. Nach zwei bis drei Stunden habe ich schon keine Lust mehr.

Aber nun sind ein paar Tage vergangen, und gestern, an meinem Geburtstag, war ich überzeugt, ich hätte es bewältigt. Etwas wie Hochachtung ergriff mich, vor mir und dem Werk, das aber einfach so entstanden ist. Das Material ist durch mich als Maschine hindurchgegangen, ich war eben der Sekretär.

Schnee in St. Gallen, wunderbar!

Es gibt Phasen, da glaubt man nicht richtig an die Sprache. Sogar alles, was ich sage, kommt mir falsch vor. Überall prägen wir mit der Sprache unsere Welt. Ich sagte kürzlich: Die Guten müssen gewinnen! Aber damit hatte ich schon wieder eine unnötige Trennung vorgenommen, zwischen den Guten und den Bösen (oder den Dummen, Unbewussten). Wir sprechen und bilden Kategorien, da ist ein Hund und ein Haus, die immer nie dieser Hund und dieses Haus sind, und so reden wir dahin, und ein Zeichen verweist aufs nächste, wir verstehen uns, aber verstehen wir wirklich uns und überhaupt etwas?

Es geht um Placebo, das unspezifische (unklare, unsichtbare) Wirkungen hervorbringt im Gegensatz zur echten Arznei, die ein spezifisches Leiden »bekämpft«. Das echte Mittel ist wie ein Sachbuch, klar und eindeutig, Placebo ist wie der Roman, ist wie die Lyrik, die zweideutig ist, missverständlich, dunkel. Placebo und das Unbewusste. Nun schreibe ich über Placebo im Sachbuch, verwende also den mir falsch vorkommenden Stil und versuche etwas zu beweisen und zu belegen, was mir selber unklar ist. Über Placebo müsste man dunkel und mysteriös schreiben.

Anscheinend hemmt mich das. Dennoch wird es rätselhaft genug sein. Ach, alle diese großen Entwürfe, die man dann doch nicht unterbringen kann! Über die Zeichentheorie wollte ich schreiben, über das Allgemeine und das Besondere bei Adorno, doch langsam habe ich das Gefühl, alles ufert aus und wird unverständlich. Na ja, dann lass es doch.

Es ist ja auch alles schwer verständlich, und man soll nicht die Illusion vermitteln, dass die Welt und das Leben einfach sei. Aber gut, die Endfassung ist da, und sie ist gut.

Speicher

So pendle ich, seit ich denken kann, zwischen fact und fiction hin und her, und jedes für sich kommt mir unzulänglich vor, denn das Leben ist auch eine Mischung aus Vorstellungen und den Fakten. Erst hatte ich mich gegen Placebo gesträubt, aber da steckt alles drin, was mich bewegt (aber steckt nicht in jedem Thema alles drin?). Ja, man ringt mit sich, das ist das Glück des Schriftstellers, der wie der Alchemist beim Goldmachen durch seine Arbeit unmerklich sich selbst verändert oder verändert wird.

 

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