Abschluss in Toledo

Kazantzakis kannte wirklich einen Alexis Sorbas, er war sein Freund, und das Buch ist wohl ziemlich autobiografisch. Für uns gehörte der Film von 1964 mit Anthony Quinn damals zum Basiswissen; das Buch ist von 1945. Die Autobiografie konnte Nikos Kazantzakis vor seinem Tod 1957 in Freiburg noch vollenden.

Der Dichter erinnert sich an einen Aufenthalt in Toledo und hält einen Dialog mit dem Maler El Greco, der auch aus Kreta stammte, in Italien lernte und in Toledo zu Wohlkstand und Ansehen kam, obwohl er ganz individuell malte und es ablehnte, daran etwas zu verändern. Er wurde 1541 geboren und starb 1614. Der Dichter nennt ihn seinen Ahnherrn.

Toledo. Solch einen Blick muss auch El Greco von seiner Villa aus gehabt haben

Kazantzakis schreibt wie ein Junger, obwohl er eine Bilanz seines Lebens zieht; damals, in den 1950er Jahren, schrieb man auch bewegt und pathetisch, doch war Kazantzakis auch ein Grieche, der zudem höchste Anforderungen an sich selbst stellte und immer an die Erlösung dachte und Gott näherkommen wollte. In seinem Ringen mit seinem Werk und sich ist er wohl auch weise geworden. Er spricht El Greco an:

Du kannstst weder Hoffnung noch Furcht noch Eitelkeit, denn du besaßest das große Geheimnis. Die Menschen kämpfen unaufhörlich mit den zwei großen Elementen, mit den zwei Gesichtern – vielleicht denen Gottes? –: mit dem guten und dem bösen. Und die, die am wenigsten wissen, sagen: Das Gute und das Böse sind Feinde; andere steigen eine Stufe höher und sagen: Das Gute und das Böse sind Mitstreiter; und andere, mit einem sicheren Überblick, das Spiel des Lebens und des Todes auf dieser Erdfläche erfassend, sagen: Gut und Böse sind eins.

Und später folgt noch diese Passage:

Deine Stimme erklang in dem blassen Morgengrauen sehr tief, traurig:
»Ich fragte eines Nachts Gott: ›Wann wirst du, Herr, Luzifer verzeihen?‹ – ›Wenn er mir verziehen hat‹, antwortete er. Hast du begriffen, junger Gefährte? Wenn man dich jemals fragen würde, wer der größte Mitstreiter Gottes sei, so sage: Luzifer. Wenn man dich fragen sollte, wer das traurigste von den Geschöpfen Gottes sei, so sage: Luzifer. Und noch dies: Wenn man dich fragen sollte, wer der verlorene Sohn sei, für den der Vater das gemästete Kalb geschlachtet habe und auf den er mit offenen Armen warte, so sage: Luzifer.
(Illustration: Detail einer Schweizer Fahrradlampe)

Und dann verabschiedet sich Nikos Kazantzakis. Er habe alles getan, was in seinen Kräften gestanden habe, um ihm (El Greco) keine Schande zu bereiten, und »jetzt komme ich, nun, da die Schlacht zu Ende ist, um mich neben dich zu legen, Erde an deiner Seite zu werden, damit wir beide zusammen das Jüngste Gericht erwarten.
Ich küsse deine Hand, ich küsse dich auf die rechte Schulter, ich küsse dich auf die linke Schulter.
Ahnherr, sei gegrüßt!«

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