Ein bemerkenwerter Gedanke
Die Bombe von Hiroshima, abgeworfen vor 70 Jahren. Laurens van der Post war damals seit über drei Jahren in japanischer Kriegsgefangenschaft, und als er 1968 an einem 6. August in einem Fernsehstudio war, fühlte er sich gedrängt, einem japanischen Arzt, dessen Familie durch die Bombe umgekommen war, Trost zu spenden.
Was er über seine Gefangenschaft berichtete, steht in dem Buch The Night of the New Moon, 1971 erschienen. Zehn Minuten hatte er dafür im Studio, die Geschichte im Buch ist 100 Seiten lang. In einem Schlusswort schreibt Van der Post:
Ich versuchte zu betonen, dass ich sicher war, dass, wären die Bomben auf Hiroshima und Nagasaki nicht abgeworfen worden, der Krieg sich noch länger hingezogen hätte, dass die Japaner wie überall bis zum bitteren Ende gekämpft hätten, von Insel zu Insel und weiter bis zur letzten, der japanischen Insel selbst. Ich sagte ihm, dass ich das glaubte, weil diese zwei schrecklichen Bomben den Japanern ebenso übernatürlich vorgekommen sein mussten wie mir, als ich zum ersten Mal von ihnen in der Dunkelheit und der Gefahr unseres Gefängnisses hörte. Irgendwo im Unbewussten des japanischen Volkes, argumentierte ich mit der Eloquenz absoluter Überzeugung, musste es gewirkt haben, als habe ihre Sonnengöttin Ama-Terasu selbst Fragmente ihrer Sonne auf Japan geschleudert, um das Land von seinem selbstmörderischen Kurs abzubringen, und in unmissverständlicher Klarheit aufgezeigt, dass es einhalten und umsteuern müsse. Hatten sie selbst nicht die Explosion, die der ersten Muschelwolke über Hiroshima voranging, beschrieben als heller als tausend Sonnen?
Der Kaiser wäre vermutlich von fanatischen Soldaten getötet worden, bevor er einen Frieden erzielen hätten können, Hunderttausende Amerikaner wären gestorben, und hunderttausend Kriegsgefangene vermutlich ausgelöscht worden, wofür bereits dementsprechende Befehle vorlagen. Weiter:
Die von uns, die wie er und ich überlebt hätten, könnten die Schuld nur loswerden, indem wir so tief und ehrlich wie nur möglich unsere Beiträge analysierten, die zu der Katastrophe geführt hätten. Der Krieg und die Bombe hätten schließlich in uns selbst angefangen, bevor sie die Welt außerhalb getroffen hätten, und wir müssten wie nie zuvor in unsere kleinen individuellen Leben und den Kontext unsere Nationen blicken. Uns Geretteten ist nun vom Leben aufgegeben, so zu leben, dass nie wieder eine Atombombe fallen würde, dass kein Krieg mehr gebraucht würde, wie er früher in der Menschheitsgeschichte als schrecklicher Heiler von Einseitigkeit und Seelenverlust im Menschen aufgetreten sei. Könnte ich ihn bitten, meine Lebensschuld seiner Frau gegenüber anzuerkennen und ihn zum Glauben bringen, sie sei nicht vergebens gestorben?
Der japanische Arzt schluckte, und nach der Diskussion verneigte er sich vor Laurens van der Post und sagte: »Wären Sie so freundlich, mir zu gestatten, Ihnen für einen bemerkenswerten Gedanken zu danken?« Dann verabschiedete er sich mit sayonara, das auch heißen kann wenn es denn sein muss.