Flugverkehr (39): der Schneider von Ulm
Einer der bedeutendsten Flugpioniere war Otto Lilienthal (1848-1896). Er flog 1891 schon einmal 15 Meter weit. Die Gebrüder Wright verbesserten sein System und schafften es am Dezember 1903: Wilbur blieb 59 Sekunden in der Luft und legte 260 Meter zurück.
Man darf nicht die Ballonfahrten vergessen, denn auch sie liefen nach dem Prinzip schwerer als Luft ab. Lilienthal allerdings arbeitete auf der Basis der Tragflächen, orientierte sich also an den Vögeln. Das tat auch der 1770 geborene Albrecht Ludwig Berblinger, als Schneider von Ulm bekannt geworden. Er beobachtete den Eulenflug und baute einen Hängegleiter.
Am 31. Mai 1811 versuchte er, von einem Sprungturm aus die Donau zu überqueren, doch die Maschine kippte ab und fiel ins Wasser. Er wurde als Betrüger bezeichnet und starb 1829 verarmt an Auszehrung. Sein Fluggerät wäre flugtauglich gewesen; das zeigten Versuche 175 Jahre später. (Das Laufrad des Ingenieur Drais entstand auch schon 1815, aber dann ging es bis 1865 mit der Entwicklung nicht weiter. Die erste Hälfte des 19. Jahhunderts war eine Zeit der geistigen Stagnation.)
Fluggerät. Bild von Rolf HannesBertolt Brecht widmete ihm ein Gedicht, das die Ereignisse etwas verändert und natürlich einen aufklärerischen Hintergrund hat: Die Kirche glaubt nicht, dass der Mensch fliegen kann. Das Automobil und das Flugzeug sind Materialisationen alter Menschheitsträume, die man jedoch unter hohem Energieaufwand realisierte. Im März jedoch startete das Solarflugezug Solar Impulse 2 (Piloten: Bertrand Piccard, André Boschberg) zu einem Flug um die Welt ohne Kerosin. Ende Juli oder Anfang August soll es wieder in Abu Dhabi, von wo es gestartet war, eintreffen.
Der Schneider von Ulm
Bischof, ich kann fliegen
Sagte der Schneider zum Bischof.
Paß auf, wie ich’s mach!
Und er stieg mit so nen Dingen
Die aussahen wie Schwingen
Auf das große, große Kirchendach.
Der Bischof ging weiter.
Das sind lauter so Lügen
Der Mensch ist kein Vogel
Es wird nie ein Mensch fliegen
Sagte der Bischof vom Schneider.
Der Schneider ist verschieden
Sagten die Leute dem Bischof.
Es war eine Hatz.
Seine Flügel sind zerspellet
Und er liegt zerschellet
Auf dem harten, harten Kirchenplatz.
Die Glocken sollen läuten
Es waren nichts als Lügen
Der Mensch ist kein Vogel
Es wird nie ein Mensch fliegen
Sagte der Bischof den Leuten.