Das Geld und die Wörter

Kürzlich saß ich bei meinem Bankberater, den ich schon länger kenne als die einzige langjährige Partnerin meines Lebens. Auf einem Blatt Papier waren meine Geldanlagen aufgeführt, nicht die eines reichen Mannes, aber dennoch irgendwie imposant, diese Mischung aus Aktien, Fonds, Riester und Bausparkasse und wer weiß was. Ich dachte mir: Das ist ja ein interaktives Netz wie manipogo.

Es gibt ja Leute (meistens Männer), die sich vier Mal verheiratet haben, sieben Kinder gezeugt und 13 Enkelkinder haben, zwei Autos und vier Wohnungen. Die haben sich richtig dick verwirklicht, haben sich wie die Spinne im Netz multipliziert und ausgebreitet. Nichts für mich. Ich mag das flache Profil (habe aber 7 Fahrräder.)  

Auf der Frankfurter Buchmesse (noch bis zum Sonntag; Gastland: Neuseeland) machen sich die beiden Substanzen Geld und Wörter gegenseitig die Hauptrolle streitig. Sie sind ja miteinander eng verwandt, sind beide Vermittler und Mittel, auch wenn einem sich in dieser Gesellschaft der Eindruck aufdrängt, Geld sei ein Zweck. (Genau vor sechs Jahren habe ich für die Kritische Ausgabe darüber geschrieben und hier Anleihen genommen.)  

Geld ist wie Sprache ein Medium, um in einem Raum sozialer Vereinbarungen den Austausch von Informationen und Waren zu bewerkstelligen. Man sagt: Etwas für bare Münze nehmen. „Spendere una parola“, sagen die Italiener: ein Wort „ausgeben” wie Geld. 

Detail aus einer der ersten Keilschriften. Im Inhalt ging es natürlich – um Geld

Um 550 vor Christus sollen alle wichtigen Handelszentren bereits Münzprägestätten besessen haben. Das Mittelalter hindurch entsprach der Wert des Goldstücks der erkauften Ware. Das war nicht praktisch. Der Mensch kam daher auf den Einfall, das Geld zum Zeichen umzufunktionieren. Richtig deutlich wurde das erst, als die Schweden 1666 das Papiergeld schufen, was viele Europäer nachahmten. Das Scheinchen bedeutete den Wert, der auf ihm stand. Weil alle daran glaubten, galt es.    

In der Sprache vollzog sich ein ähnlicher Wandel, wie das der französische Philosoph Michel Foucault (1926−1985) schön in seinem Buch Die Ordnung der Dinge (Le mot et les choses) dargestellt hat. Im Mittelalter hätten die Wörter Gewicht besessen; sie waren die Dinge, könnte man sagen. Den Umschwung macht er am Roman Don Quijotte von Miguel Cervantes de Saavedra (1547−1616) fest, der 1605 gedruckt wurde, 60 Jahre vor dem ersten Papiergeld. Zum ersten Mal baute sich ein Autor selbst ironisch in seinen Roman ein, und der »Edle Ritter von der Traurigen Gestalt« kämpft gegen Windmühlenflügel und hält sie für Feinde; überall nimmt er die Dinge für Zeichen von etwas anderem. (Das Standbild oben steht in Valdepeñas, Spanien.) 

 A.N.J. Turgot (1727−1781) formulierte für die Encyclopédie um 1770 die erste systematische Parallele zwischen dem Geld und den Wörtern, und Adam Smith (1723−1790) schrieb neben seinem großen ökonomischen Werk auch einen Essay über den Ursprung der Sprachen.  

Ich sitze also gedanklich immer noch vor diesem Geflecht der Geldanlagen, und mir fällt eine weitere Parallele ein: Der Bankmann legt Geld an, schiebt es hin und her, spielt mit ihm und vermehrt es damit (manchmal); der Autor formuliert und variiert, und durch das kreative »Spielen« mit der Sprache tauchen plötzlich wie aus dem Nichts neue Bedeutungen und Verbindungen auf, die den Weg der Prosa (und der Handlung) verändern.

In der Sprache stecken Geheimnisse, die ihr erst der Magier entlocken kann, und der »Banker« braucht wohl auch Intuition und manchmal einen »sechsten Sinn«, um zu spüren, wo eine Summe gut angelegt ist.      

 

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