Kleine Freiheit

Ich hatte mit meinem Volvo die Autobahn verlassen und näherte mich unter Laubbäumen dem Kreisel vor dem freien Feld. Am Horizont zeichneten sich die Schwarzwaldberge ab. Von rechts kamen zwei Radfahrer, Afrikaner, die gemütlich auf dem entfernten Radweg vorbeifuhren. Plötzlich war es, als wären wir in Tansania. Schön.

Flüchtlinge sind in einer Anlage auf dem Gewerbegebiet Eschbach untergebracht worden. Es werden vielleicht einmal 500 sein. Ein paar haben anscheinend schon Fahrräder geschenkt bekommen, das Unterpfand der Freiheit. Mit ihnen können sie sich bewegen und sind nicht mehr eingesperrt am Ende der Welt, auch wenn man sich schwer vorstellt, dass sie zum Dorfkrug von Hartheim fahren und dort ein Bier trinken. Das sollte aber einmal möglich sein.

Doch es gibt Hindernisse. In Gröbenzell in Bayern, erfuhr ich, bekamen Flüchtlinge Räder geschenkt, und einer rammte gleich ein Auto. Hatte leider keine Versicherung. Ein Kratzer in einer Mercedes-Tür kann ja leicht zwei Monatslöhne kosten, was für ein Horror! Man müsste ihnen ein Rad schenken und eine Haftpflichtversicherung dazu. So ist Deutschland. Durch die Augen der Afrikaner betrachtet, sieht man da manche Absurdität. Das heilige Eigentum. Der heilige Mercedes.

An etwas muss erinnert werden, wenn man hört, dass sechs Milliarden Euro neu in den Bundeshaushalt eingestellt werden. Die Länder brauchen mehr, es könnten also zehn Milliarden werden. Vor sechs Jahren, im Zuge der Bankenkrise, wendete Deutschland 70 Milliarden Euro für die Bankenrettung auf, und diese Verluste gingen auf blindwütiges Zocken und verantwortungsloses Handeln zurück. Im ganzen büßte Deutschland 187 Milliarden Euro ein. Das muss man gegen die zehn Milliarden stellen, die immerhin für Menschen eingesetzt werden sollen. Die Banken waren wichtig für »das System«, die Menschen sind es nicht.

Nun sieht man an vielen Orten Afrikaner. Daran müssen sich viele erst gewöhnen. Wer jedoch viel in Frankreich und Italien unterwegs ist, weiß, dass in allen Siedlungen Afrikaner und Araber zum Stadtbild gehören. Es sind ja meistens arme Hunde. In Italien nennt man ambulante Händler afrikanischen Geblüts »Vu‘ cumpra«, fällt mir da ein; sie besuchen die nomadische Strandbevölkerung (manchmal auch die Landbevölkerung) und verkaufen Ketten und Ringe, Decken und Handtücher. Deutsche werden sich an den Anblick der Afrikaner gewöhnen.

Vergessen wir auch nicht, dass seit über hundert Jahren, seit dem Beginn des Kolonialismus, der afrikanische Kontinent ausgeplündert wird. Unser Reichtum basiert auch auf den Rohstoffen aus armen Ländern, die man günstig einkaufte und, verarbeitet, sehr viel teurer verkaufte. Kaffee und Tee, Rohrzucker und Reis sollten doppelt so viel kosten wie heute, das wäre ein Beitrag.

Wir müssen nur unseren Begriff der Familie erweitern. Mitakuye oyasin, sagen die Lakota-Indianer: Alles ist verwandt. Wir alle stammen aus einer Quelle, sind Versionen einer einzigen Spezies, die der Große Geist ins Leben rief. Hier ist eine Chance, zu lernen.

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