Strandurlaub

Meine Mutter war in den 86 Jahren ihres Lebens oft zum Baden an Wörth- und Ammersee gewesen und auch, bei unseren gemeinsamen Reisen, tageweise am Meer, auf Ischia oder in Ostia. Nun erlebte sie mit mir, Giovanna und deren Mutter (84) zehntägige Badeferien auf Sizilien. Unvergesslich, für alle Beteiligten.

Badeferien bedeutet Disziplin und einen festen Tagesablauf. Nach dem Frühstück die Sachen packen, kurze Hose (oder Sommerkleid) anziehen, mit Sack und Pack hinunter und ums Hotel herum und über die Straße zum Stand. Das dauerte immer eine Weile, weil für unsere Mütter steile Treppen große Hindernisse sind; sie müssen sich am Handlauf festhalten und hinabtasten. Dann auf die Liege und unter den Sonnenschirm, die wir uns gleich reserviert hatten. Dann geht es los.

Die Mutter als Model

Aber nichts geht los. Man legt sich auf die Liege und döst. Menschen lesen am Strand sogar Bücher, wozu sie sonst keine Zeit haben. Meine Mutter hatte keine Lust zu lesen. Sie saß da und starrte Löcher in die Luft. Auch gut. Es geht nur darum, an der Sonne oder im Schatten zu sitzen und dem sanften Rauschen der Wellen zuzuhören. Oder nicht zuzuhören, sondern einfach da zu sein, sich vom Rauschen umgeben zu lassen. 

Frieda und Delta (unten)

Dann gibt es auch störende Begleiterscheinungen. Sand in den Schuhen zum Beispiel. Oder man muss zur Toilette und dabei durch weichen Sand. Die Strandtoilette ist natürlich nicht so sauber wie die zu Hause. Eine Welle kriecht über den Sand und unterspült die Liege. Die Sonne bewegt sich, man muss die Liege wieder in den Schatten rücken. Manchmal brach man zu einer kleinen Wanderung auf.

Andere Probleme: Man ist bald verschwitzt. Man langweilt sich. Man hat Durst oder bekommt Hunger. Darum ist um eins Mittagspause. Es ist sehr heiß, man rafft ein paar Sachen zusammen und geht zum Essen. Giovanna und Delta, ihre Mutter, gingen ins Restaurant zum Fisch, meine Mutter und ich in die Bar, um einen Latte macchiato zu trinken und ein süßes Teilchen zu verzehren.

Gegen drei Uhr oder um halb vier wieder unter den Sonnenschirm. Meine Mutter schimpfte. Sie könne nicht mehr liegen. Sie würde lieber im Hotelzimmer schlafen. Schlafen? fragte ich. Wir tun ja nichts, können also nicht müde sein. Trotzdem ist man immer müde und schläfrig am Meer. Die gute Meeresluft. Die vorbeitreibenden Stunden. Der Nachmittag ist kürzer. Man will sich bald im Hotelzimmer duschen und umziehen, um zum Aperitif ins Café zu gehen, was der Prolog für das Abendessen ist. Man hat Hunger, schon wieder. Es ist nicht zu glauben. Delta geht ja langsam, geführt von ihrer Tochter, und so kann es eine halbe Stunde dauern, bis man am Café auf der Piazza Roma angekommen ist.

Blick aus dem Café aufs Meer

Der Ort hieß Giardini Naxos, unterhalb von Taormina an der sizilianischen Ostküste. I Limoni war das schönste Restaurant. Großartig die Spaghetti al nero di seppia, Tintenfisch also, schwarze, klebrige Nudeln, aber höllisch gut. Wein dazu. Dann, gegen halb zehn, wanderten wir wieder langsam zum Hotel. Der Tag endete – für mich noch auf dem Balkon mit Wein, Pfeife und dem Laptop, an dem ich mein großes Versepos vorantrieb. Meine Mutter räumte immer noch irgendetwas auf und um, und nach elf begab man sich zur Ruhe. So gingen die Tage hin. Für mich könnte so mein ganzes Leben verlaufen. Sein Leben — ein Urlaub, spottet Giovanna immer gern.


 

Dieser Eintrag wurde am Samstag, den 10. Oktober 2015 um 00:39 Uhr erstellt und ist in der Kategorie Reisen zu finden. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Kommentare und Pings sind derzeit nicht erlaubt.

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