Buchbinder Wanninger

Valentinstag. Er gehört unserem bayerischen Genius Karl Valentin, manchmal aber auch Marco Pantani, der an diesem Tag 2005 starb. Es war zu lesen, dass Valentins Werke nun gemeinfrei seien, da er länger als 70 Jahre tot. Er starb am 9. Februar 1948 in München. Darum nun ein Juwel aus seiner Feder, der Buchbinder Wanninger. Lesenswert auch heute, in unserer Zeit der telefonischen Endlosschleifen.

Schon in meiner Jugend war der Buchbinder Wanninger legendär. Er wurde herbeizitiert, wenn jemand von einer Behörde zur anderen geschickt wurde, also von Pontius zu Pilatus rennen musste, wie man auch plastisch sagte: Kafka auf Bizarr-bayerisch. Den Dialog schrieb Karl Valentin 1940

Telefon-Schmerzen [Buchbinder Wanninger]

Handlung: Der Buchbinder Wanninger hat auf Bestellung der Baufirma Meisel & Co. 12 Bücher frisch eingebunden und bevor er dieselben liefert, frägt er telefonisch an, wohin er die Bücher bringen soll und ob und wann er die Rechnung einkassieren darf. Er geht in seiner Werkstätte ans Telefon und wählt eine Nummer, wobei man das Geräusch der Wählscheibe hört.
Nachdem der Anschluss hergestellt ist:
Baufirma Meisel, Portier
: Hier Baufirma Meisel & Co.
Buchb. Meister: Hier ist Buchbinder Wanninger. Ich möchte  Ihnen nur mitteilen, dass ich die Bücher fertig habe und ob ich die Bücher hinschicken soll und ob ich die Rechnung auch mitschicken soll – bitte!
Sekretariat: Einen Moment, bitte!
Direktion: Direktion der Fa. Meisel & Co. hier!
Buchbd. Meister: Hier ist Buchbinder Wanninger. Ich möchte der Fa. Meisel nur mitteilen, dass ich die Bücher fertig habe und ob ich die Bücher fortschicken soll und ob ich die Rechnung auch mitschicken soll − bitte!
Direktion: Ich verbinde Sie mit der Verwaltung, einen Moment mal!
Verwaltung: Hier Baufirma Meisel & Co., Verwaltung!
Buchbd. Meister: Hier ist Buchbinder Wanninger. Ich möchte  Ihnen nur mitteilen, dass ich die Bücher fertig habe und ob ich die Bücher hinschicken soll und ob ich die Rechnung auch mitschicken soll – bitte!
Verwaltung: Rufen Sie doch bitte Nebenstelle 33 an. Sie können gleich weiterwählen. – (Geräusch der Wählscheibe)
Nebenstelle 33: Hier Baufirma Meisel & Co.
Buchbd. Meister: Hier ist Buchbinder Wanninger. Ich möchte der Fa. Meisel nur mitteilen, dass ich die Bücher fertig habe und ob ich die Bücher fortschicken soll und ob ich die Rechnung auch mitschicken soll − bitte!
Nebenstelle 33: Einen Moment mal! Ich verbinde Sie mit Herrn Ingenieur Plaschek.
Ing. [Plaschek]: Hier Ingenieur [Plaschek]!
Buchbd. Meister: Hier ist Buchbinder Wanninger. Ich möchte nur dem Herrn Ingenieur mitteilen, dass ich die Bücher fertig habe und ob ich die Bücher hinschicken soll und ob ich die Rechnung auch mitschicken soll – bitte!
Ing. [Plaschek]: Da weiss ich nichts davon. Fragen Sie doch mal bei Herrn Architekt Klotz an. Einen Moment mal!
Archit. Klotz: Hier Architekt Klotz!
Buchbd. Meister: Hier ist Buchbinder Wanninger. Ich möchte nur dem Herrn Architekt mitteilen, dass ich die Bücher fertig habe und ob ich die Bücher hinschicken soll und ob ich die Rechnung auch mitschicken soll – bitte!
Archit. Klotz: Da fragen Sie am besten Herrn Direktor selbsst. Er ist jetzt nicht in der Fabrik. Ich verbinde Sie gleich mit der Wohnung.
Wohnung: Hier Direktor Hartmann!
Buchbd. Meister: Hier ist Buchbinder Wanninger. Ich möchte dem Herrn Direktor nur mitteilen, dass ich die Bücher fertig habe und ob ich die Bücher hinschicken soll und ob ich die Rechnung auch mitschicken soll – bitte, Herr Direktor!
Wohnung, Dir.: Ich kümmere mich nicht um diese Sachen. Vielleicht weiss die Abteilung III Bescheid; ich schalte in die Firma zurück.
Abtlg. III: Baufirma Meisel, Abteilung III.
Buchbd. Meister: Hier ist Buchbinder Wanninger. Ich möchte nur der Fa. Meisel mitteilen, dass ich die Bücher fertig habe und ob ich die Bücher hinschicken soll und ob ich die Rechnung auch mitschicken soll – bitte!
Abtlg. III: Einen Moment bitte, ich verbinde mit der Buchhaltung.
Buchhaltung: Fa. Meisel & Co., Buchhaltung!
Buchbd. Meister: Hier ist Buchbinder Wanninger. Ich möchte nur der Fa. Meisel mitteilen, dass ich die Bücher fertig habe und ob ich die Bücher hinschicken soll und ob ich die Rechnung auch mitschicken soll – bitte!
Buchhaltung: So, sind die Bücher endlich fertig – hören Sie zu, dann können Sie ja dieselben [−] Rufen Sie bitte morgen wieder an, wir haben jetzt Büroschluss!
Buchbd. Meister: Jawohl – danke – entschuldigen Sie vielmals, bitte.

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