Die Wolken
Meine geschätzte Ex-Partnerin Giovanna hat sich, wie man nun weiß, zwei Wochen in Mexiko aufgehalten und schöne Bilder mitgebracht. Ich finde ja die Bläue des Himmels so bestechend und die Wolken, ja, die Wolken finde ich außerordentlich. Aber vielleicht hat man oft das Gefühl, dass die Wolken in anderen Ländern schöner sind als im eigenen.
Wolken sind in der Poesie immer wieder erwähnt worden, aber nur als Nebendarsteller. Sie geben zu wenig her, schweben lautlos, und ihre einzige Botschaft ist: Regen kommt.
Hier auf dem Bild unten kommt bestimmt kein Regen. Die verlassene Maya-Stadt Chichen Itza im November. Wenn man sich Bilder dazu ansieht, wird man oft interessante Wolken um die Spitze der Pyramide gleiten sehen, obwohl sie ja nicht hoch ist wie ein Berg. Aber heilig ist sie vermutlich.
Da gibt es noch einen Tempel, den fast ein Wolkenballett umschwebt. Wie Wolken sich bilden und ballen und sich brüsten und bersten, das ist Kunst, die schnell vergeht und die niemand festhalten muss. Das ist »gratuito«, würden Italiener sagen, und das heißt nicht gratis, eher: eine Zugabe, ein Geschenk.
Bei Bertolt Brecht kommt eine Wolke ziemlich entscheidend ins Spiel; es ist vielleicht die berühmteste einzelne Wolke der Literatur: In der Erinnerung an die Marie A.
Wolke, oberhalb des Südschwarzwaldes entdeckt»An jenem Tag im blauen Mond September« hält er seine Liebe im Arm. »Und über uns im schönen Sommerhimmel / War eine Wolke, die ich lange sah / Sie war sehr weiß und ungeheuer oben / Und als ich aufsah, war sie nimmer da.« Jahre vergehen, und es ist schön, wie Brecht im dritten Teil die Wolke oben mit dem Geschehen unten koppelt (oder verkuppelt): »Und auch den Kuss, ich hätt ihn längst vergessen / Wenn nicht die Wolke dagewesen wär / Die weiß ich noch und wird ich immer wissen. / Sie war sehr weiß und kam von oben her.«
Zwei Wolken in der Toskana. Nein: bei Müllheim, Südbaden