Zu süß

Nehmen wir uns für das Neue Jahr etwas vor? Das ist irgendwie persönlich, aber ich will nächstes Jahr etwas liebevoller mit mir umgehen. Keine harten Radtouren mehr, keine Solo-Reisen, eher am Rhein an der Sonne liegen und viel lesen. Doch dann, nach Weihnachten, fiel mir noch etwas ein: weniger Süßes essen. Wie viele Plätzchen, Pralinen und Stücke Christstollen ich in mich reinsteckte! Wieviel von dem Zeug rumlag, Schoko-Nikoläuse und elegante Schokolade und Dominosteine und Zimtsterne! Das hat System.

Vor vielen Jahren war das noch Luxus. Man schenkte eine Tafel Schokolade, und das war schon was. Doch heute quillt alles über von Süßwaren, und wnen man zuviel davon gefuttert hat, findet man es eklig. Sogar im Altenheim stapeln sich die Süßwaren auf den Tischen.  Das ist auch ein gesellschaftliches Phänomen. Schokolade macht angeblich glücklich, Süßes erfreut. Viel versteckter Zucker ist in Lebensmitteln, und viele Produkte sind einfach zu süß. Der Konsument will trotzdem immer mehr davon.

Süßer die Glocken nie klingen? Vieles ist heute süß, um das Bittere zu verdecken. Die aufgeklärte, rationale Gesellschaft, in der 48 Prozent der Bürger erklärte Atheisten sind, hat auf der einen Seite die Krimis und den Fußball und das Verwaltungshandeln mit seinem aseptischen Deutsch, und dagegen stehen die protzigen Behauptungen der Werbung, die man getrost Lügen nennen darf, die Heile-Welt-Konstruktionen des Fernsehens, die knallhart kalkulierten Inszenierungen der Show-Welt. Und an Weihnachten wurden die Märkte mit Objektkitsch zugemüllt, und das ist ja auch eiskaltes Geschäft mit der Rührung, die auch Menschen überkommt, die zunächst ungerührt durch das Angebot wandelten … oder war das gute Schauspielerei? Man wusste nicht, wohin man langen sollte, es gibt von allem zuviel und nahezu alles Denkbare.

Das kalte Herz der durchorganisierten Gesellschaft wird von Geigen und Flöten garniert. Man lebt mit dieser Schizophrenie. Die Einzelkämpfer schreiben sich am Ende einer Mail Alles Liebe, und man gibt sich Bussis zum Abschied.

Viele Leute sind zu dick, und viele haben Diabetes. Ein normales Mittagessen schadet nicht und sorgt für Kalorien, die der Körper verbrennt, aber dann noch ein kleines Dessert, eine Cola hinterher, ein Schokoriegel als Zwischemahlzeit und zu wenig Bewegung. Von dem süßen Stoff wird man abhängig. Wieder werde ich im Neuen Jahr versuchen, Tee und Kaffee ohne Zucker zu trinken und beim Bäcker ein Sandwich zu kaufen statt einer Mohnschleife. Wir haben von allem zuviel, auch von Nahrumgsmitteln, und vor allem gibt es zuviel Süßes.

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