Die Dschinns

Der Koran, das heilige Buch der Moslems, kennt drei Arten von spirituellen Wesen: Engel, Dschinns und Dämonen. Die Letzteren sind böse Einflüsterer, die Ersteren himmlische Wesen, während die Dschinns als schattenhafte Geistwesen gelten, entstanden aus rauchlosem Feuer und angesiedelt in einem Zwischenreich. Im Koran werden die Dschinns Seite an Seite mit dem Menschen erwähnt, dem sie verwandt sind.

Schon im vorislamischen Arabien glaubten die Menschen an die Dschinns, die für sie in Nationen aufgeteilt waren und diese wiederum in Stämme, bei denen eine Art Dschinns seßhaft war, die andere nomadisch unterwegs. Dschinns können wie die Menschen Wissen aufnehmen, den Schöpfer anbeten, aber auch von ihm abfallen. Sie haben eine Moral und sind wie die Menschen im Jenseits verantwortlich für ihre Taten. Die Dschinns (weibliche Form: dschinniya) sind Trickster und können jede beliebige Form annehmen, auch die eines Menschen.

DSCN2952Die Sure 55 des Koran ist ganz den Dschinns und den Menschen gewidmet, und da steht auch: »Er schuf die Dschinns aus Feuer ohne Rauch.« (Das Arabische wird so ausgesprochen: Wakhalaqa aljanna min marijin min narin. Der Herr schuf alles Wohltätige, und es wird viele Male rhetorisch wiederholt: »Welche seiner Wohltaten willst du denn ablehnen?« (Fabi-ayyi ala-i rabbikuma tukaththibani) Interessant auch, dass die allerletzte Zeile des heiligen Buchs, mit der die Sure 114 schließt, heißt: unter euch Dschinns und Menschen (mina aljinnati waalnnasi; das ist die englische Aussprache, bei uns ist aljinnati als aldschinnati zu sprechen). 

DSCN2982Es gibt Gemeinsamkeiten zwischen Engeln und Dschinns. Beide sind unsichtbar, sind körperlose Geister von leuchtender Gestalt und können ihe Form verändern. Engel leben ewig; die Dschins jedoch immerhin auch ein paar tausend Jahre. Jedoch leben die Engel in al-malakut, der himmlischen Zone, während die Dschinns in Mondnähe residieren, im »imaginalen Reich«, einem Reich der Vorstellungskraft zwischen dem manifesten Irdischen und dem Himmlischen. Wir sind Erde, die Engel Luft, und die Dschinns dazwischen sind Feuer. Im Imaginalen ist alles ebenso real wie bei uns; die Dschinns sind also körperlos und schwebend (mit uns verglichen), aber körperhaft und sichtbar — mit den Engeln verglichen.

Die Dschinns können auch als Tiere auftauchen, und unter ihnen ist das beliebteste die Schlange.Und sie können Dichter inspirieren, sozusagen als inkarnierte Musen und ihnen Werke diktieren.

DSCN2950Ein wichtiges Kapitel ist die Liebe zwischen Mensch und Dschinn, die schon vor 1000 Jahren erwähnt wurde. Dschinns raubten menschliche Bräute, und Männer heirateten Dschinniyas, in die sie sich verliebt hatten. Zuweilen verschwand die unheimliche Frau spurlos nach der Geburt des ersten Kindes, ohne es mitzunehmen. Beziehungen gab es oft zwischen Wasserwesen (Nymphen) und Menschen, da müssen wir nur an das Märchen von der kleinen Meerjungfrau von Andersen denken. Gab es das alles wirklich? Sind die Geschichten ein Beweis? Wir wissen nur, dass die Menschen immer an Naturwesen geglaubt haben, und warum sollte es sie nicht geben? Die Moslems haben jedenfalls eine enge Beziehung zur unsichtbaren Welt, alam al-ghayb.

Meine Weisheiten habe ich aus dem Buch Islam, Arabs, and the Intelligent World of the Jinn von Amira El-Zein. Sie arbeitet als Professorin der Gorgetown University in Qatar. Das Buch erschien 2009, und wir lassen die Autorin in ihrem Schlusswort zur Rede kommen:

Die Erforschung des Konzepts der Dschinn gibt uns zu verstehen, dass wir und das Universum aus demselben Stoff gewebt sind. Eins ähnelt dem anderen. Noch bedeutsamer jedoch: Beide stehen in dauerndem Kontakt. Wie der Mensch, so hat auch das Universum eine Seele und einen lebenden Körper. Das ist es, was unsere Vorfahren Anima mundi oder die Seele der Welt nannten. Beide sind intelligent. (…)

Die Dschinns als Teil der Schöpfung haben auch Teil an der allgemeinen Empfindungsfähigkeit, mit der alle Wesen begabt sind. Die Dschinns sind auch feinstoffliche und flüchtige Geister. Sie sind psychische Kräfte, die als real erscheinen könnten. Sie reisen ewiglich zwischen sichtbaren und unsichtbaren Bezirken hin und her, zwischen innen und außen, wie Wellen, die in den Ozean der Existenz hineinrollen und sich dann wieder ins Unsichbare zurückziehen, ins ghayb. In einem Wimpernschlag verschwinden sie in unserer kollektiven Dunkelheit, um dann unvermutet dort aufzutauchen, wo wir sie am wenigsten erwarten. Sie schenken uns die Erleuchtung, dass die physische Realität nicht die einzige ist. (…)   

Jedes Mal, wenn sie sich uns enthüllen, sind sie auf andere Weise real. Ihre vielfältigen Manifestationsarten schenken uns nicht nur einen Beweis für die Energie des Imaginalen, sondern auch für die unendliche Kraft des Universums, sich selbst zu erneuern — der besser erneuert zu werden durch den Schöpfer, der höchsten Empfindung von allen.

 

 

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