Vairocana

Bei meinem Besuch unlängst im Museum Rietberg in Zürich machte ich nur wenige Fotos. Blitzlicht ist da nicht gern gesehen, und mein Gerät blitzt leider oft, wenn ihm das Licht fehlt. Doch eine Aufnahme ist perfekt gelungen, und den Namen dieses Buddhas kannte ich aus dem Totenbuch der Tibeter: Vairocana. Widmen wir uns ihm.

Genau heißt er Tathāgata Vairocana, und in dem Totenbuch steht:

Tathāgata ist synonym mit Buddha, dem »Erwachten« und Jina, dem »Siegreichen«. Die fünf  Tathāgatas sind also die fünf Hauptformen der Energie des Buddha-Wesens, des völlig erwachten Bewusstseins. … Der erste der fünf Tathāgatas, im Zentrum des Mandalas plaziert, ist Vairocana. Er repräsentiert das Grundgift der Verblendung oder des Unverstandes, der absichtlich nicht versteht, und aus dem sich alle anderen Gifte entwickeln. Aber er ist auch die Weisheit des Dharmadhātu, des grenzenlose, alldurchdringenden Raumes, in dem jedes Ding existiert, wie es wirklich ist. Dies ist die Umkehrung des Unverstandes, der Unwissenheit.

Schauen wir ihn an in seiner Pracht. Die Statue, vergoldet, kommt aus Tibet, 14. Jahrhundert.

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Chögyam Trungpa Rinpoche kommentiert (dazu muss man wissen, dass bardo das Zwischenreich nach dem Tod ist und Samsara der weltliche Zustand):

Das Buch sagt, dass man, nach vier Tagen der Bewusstlosigkeit zum Glanz erwacht, plötzlich versteht, dass dies der Bardo-Zustand ist; und in jenem Moment tritt das Gegenteil der samsarischen Erfahrung ein. Es ist die Wahrnehmung von Licht und Bildern, die das Gegenteil von Körpern oder Form sind; statt eine fassbare Situation der Form zu sein, ist es ein unfassbarer Zustand der Eigenschaft. (…)

Eine Intelligenz tritt auf, die das Bewusstsein in Raum verwandelt.

In diesem Fall ist die Farbe des Raumes Blau und die Vision, die erscheint, ist Vairocana. Vairocana ist beschrieben als der Buddha. der kein Hinten und kein Vorne hat; er ist der totale Rundblick, alldurchdringend, mit keiner zentralisierten Eigenschaft. Deshalb wird Vairocana oft personifiziert als eine meditierende Gestalt mit vier Gesichtern dargestellt, die alle Richtungen gleichzeitig überschauen. Er ist von weißer Farbe, denn diese Wahrnehmung braucht keine andere Färbung, sie ist allein die Urfarbe Weiß.

Doch die Tiefe der herrschenden Bläue sei erschreckend.

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Plötzlich ist kein Zentrum mehr da, und »es gibt nichts, in dem man schwelgen könnte, keinen festen Grund, auf dem man sich vergnügen könnte«. Wer zu tief in seinem Ego steckt, erträgt das nicht und flieht sich in den Schimmer Weiß, der vom Buddha selber ausgeht. Und so geht es weiter mit den fünf Buddhas: Immer wieder ist der Verstorbene, der schon im Leben nicht erwacht war, geneigt, sich zu ducken und wegzutauchen anstatt sich hinzugeben. Bei Swedenborg heißt es, dass die unteren Engel die oberen nicht sehen könnten, weil ihr Inwendiges nicht genügend aufgeschlossen sei. Unser jetziges Bewusstsein nehmen wir mit in die andere Welt, und wenn es reif und ohne Selbstsucht ist, hat es keine Angst vor dem Schweben und dem Panorama-Rundblick.

 

 

 

 

 

 

 

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