Das andere Paar

Noch eine Passage aus einem meiner nicht erschienen Manuskripte. Es geht um die Vereinigung von Mann und Frau. Der Philosoph Weizsäcker hatte als Physiker Schwierigkeiten mit den beiden Teilchen, deren »Unterschied wir irreversibel beschreiben können«, die dann jedoch, weit voneinander getrennt, reagierten, als wären sie ein zusammengekoppeltes Objekt. Wie kann etwas zwei sein und doch eines?

17Jede Liebe richtet sich auf einen Partner und zielt auf Vereinigung ab, die, wenn sie körperlich ist, zur Vollendung kommt. Dann aber müssen sich die Körper wieder trennen. Bücher aus dem Jenseits stellen als Möglichkeit vor, dass zwei Seelen zu einer vereinigt werde können, ja, dass sogar in höheren Regionen Gruppenseelen entstehen, weil der Wunsch nach individuellem Dasein allmählich schwächer wird. Die Körper sind ja subtil, ätherisch; wo wir bloß die Öffnungen der Sinnesorgane haben und der physische Körper vieles abblockt (was für uns auch ein Schutz ist), wird drüben alles offenbar. Da jedoch meist Wesen zusammen sind, die im Gleichklang denken, steht Annäherungen und geistigen Vereinigungen nichts im Wege.

5Auf der Erde ist das schwieriger. Man bekommt Blickkontakt, man trifft sich, redet miteinander; danach denkt jeder, wenn es gefunkt hat, an den anderen, der Wunsch eines Wiedersehens kommt auf. Man wünscht bald die Vereinigung, die aber in gewisser Weise schon da ist. Eine fast telepathische Verbindung spürt man manchmal zu guten Freunden, zur Mutter, und diejenige zum Partner wird immer stärker. Wo findet sie statt, diese Verschmelzung? Psychotherapeuten in der Nachfolge von Carl Gustav Jung meinen: in einem »Beziehungsfeld«, das nicht materiell ist und ein zweites imaginäres Paar darstellt, das man auch ein Drittes nennen könnte.

Das wird auch in dem Roman Alle Namen von José Saramago ausgesprochen:

Nein, mein Lieber, in einer Ehe existieren drei Menschen, da ist die Frau, da ist der Mann, und da ist das, was ich die dritte Person nenne, die wichtigste, die von dem Mann und der Frau gemeinsam gebildet wird.

Bei Jung gibt es, dem alchimistischen Modell des „Rosarium“ folgend, Störungen dieser Struktur und immer neue, stabilere Vereinigungen auf höherem Niveau. Der amerikanische Dichter Robert Bly schrieb: »They obey a third body that they share in common.« Sie gehorchen einem dritten Körper, der ihnen gemeinsam ist.

32 Stundenglas fu¦êr VerliebteDamit könnte man auch Psi-Erfahrungen zwischen Menschen beschreiben: Sie schwingen, wenngleich räumlich voneinander entfernt, im selben Rhythmus, und jeder hat Zugang zu einem ihnen gemeinsamen Raum oder Feld. Sie sind gepolt wie zwei »verschränkte« Elektronen in der Quantenwelt: Ändert das eine seine Drehrichtung, ändert das andere die seine ebenfalls und augenblicklich. Der US-Parapsychologe Dean Radin nannte ein Buch Entangled Minds, etwa: verschränktes Bewusstsein.

Das Dritte kann sich als Präsenz fühlbar machen. Eine Frau namens Ellen erzählte Jenny Wade, deren Buch über transzendentalen Sex wir morgen behandeln:

Dieses Ding kam irgendwie auf uns nieder, aber es geschah durch es und durch unsere Verbindung. Es war mehr so, als wären wir in die Göttlichkeit geraten, und alles war Eins. Und das Gefühl von Liebe war unbeschreiblich … wie durchtränkt zu sein von etwas Anderem, etwas Göttlichen.

Sie habe mehr Energie gehabt, arbeitete manchmal bis vier Uhr morgens oder blieb 24 Stunden am Stück wach. »Ich hatte einfach diese geistige Klarheit, und ich komme auf das Wort Präsenz zurück. Ich war voller Energie und Klarheit. Ein wirkliche, wirkliche geistige Klarheit. Und Frieden. Und einfach Präsenz.« Jahre später traf sie den Geliebten wieder, und nach dem Sex hätten sich, meinte Ellen, die Präsenz des Dritten und die ihre überlagert.

Ich erinnere mich, dass mich Leute am nächsten Tag in der Arbeit fragten: »Was ist denn mit dir passiert? Wow!« Sie nahmen diese Präsenz wahr, Energie, Licht und Freude.

 

Illustrationen von Rolf Hannes, Freiburg

 

 

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