Laurence Sterne

Englisch ist die erste Sprache, die einem in der Schule begegnet. Zu meiner Zeit war die Umwelt noch nicht so anglifiziert, aber Englisch war natürlich die Sprache der Rockmusik: wichtig. Dann habe ich mich an der Uni für Englisch eingeschrieben, und: Charles Dickens, Doris Lessing … Englische Autoren haben Humor, und da muss ich gleich eine Anekdote erzählen.

Einer dieser witzigen, irrlichternden englischen Autoren war Laurence Sterne (1713−1768), ein Pastor. Er hatte zwei Jahre um Elizabeth Lumley geworben, Tochter eines anderen Pastors aus Yorkshire, und im März 1741 fand endlich die Hochzeit statt. Am Tag danach musste Sterne eine Predigt halten, und er verbreitete er sich über Lukas 5,5, wo Simon auf dem See zu Jesus sagt: »Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen.« Die Eheleute kamen dann leider nicht gut miteinander aus. Er war oft untreu, sie schlug ihn dann und war plötzlich die »Königin von Böhmen«. Seltsam. Ihr Mann behandelte sie dann auch so. Vermutlich eine psychische Störung.  (Illustration: Sterne in einem Porträt von Reynolds, 1760)

Ihre Kusine meinte, wer Streit mit Elizabeth vermeiden wolle, halte sich von ihr lieber fern. James Aiken Work im Vorwort zu Tristram Shandy: »Viele Jahre der Ehe mit Mrs Sterne, die selten glücklich und nie zufrieden war, hätten auch das Gemüt eines weniger quecksilbrigen Philosopen strapaziert als Sterne einer war.« Er räumt jedoch ein, der flatterhafte Autor hätte vermutlich mit keinem weiblichen Wesen eine ruhige Ehe führen können. Es dauerte aber 20 Jahre, bis sich Laurence und Betty im Einverständnis trennten. 

Der Erfolg des geistreichen, von Ideen überschäumenden, glanzvoll lustigen Romans Tristram Shandy kam 1760. Plötzlich war Laurence Sterne ein berühmter Mann. Er reiste viel, zog sich vom Kirchendienst auf ein Landgut zurück und hustete immer, spuckte Blut: Schwindsucht. Mit 53 Jahren lernte der kranke Mann eine weitere Elizabeth kennen, Eliza Draper, die erst 23 war. Sie schwärmten sich an, bis Elizas Ehemann sie nach Bombay verschickte. Sterne und sie kamen überein, jedes würde ein Tagebuch über seine Gefühle führen (das von Sterne blieb erhalten).

Zwei Seiten aus dem Tristram Shandy: das Kapitel links ist leer

 

Die Liebesgeschichte brachte ihn dazu, das wunderbare Buch A Sentimental Journey zu schreiben, das ihn sehr anstrengte. »Yorick«, schrieb er einem Freund, »ist geschwächt an Geist und Körper. Meine Gefühle haben mein ganzes Wesen in Stücke gerissen.« Yorick nannte er sich gern; das war der Spaßmacher, dessen Schädel Hamlet hochhält und ausruft: »Alas, poor Yorick!« Literarisch gesehen gab es ja die Periode der Empfindsamkeit gegen Ende des 18. Jahrhundert (in Deutschland: Klopstock), und dazu zählt eindeutig Laurence Sterne.    

Zeitgenossen hielten A Sentimental Journey für perfekte Prosa und ein sehr bewegendes Buch. Sterne, der Autor des Tristram Shandy, starb dann am 18. März, im Jahr 1768, an der Schwindsucht, 55 Jahre alt.  (Da ich gestern die Templer hatte, bekommt Laurence Sterne am Tag danach seine Würdigung.) Gotthold Ephraim Lessing (1729−1781), den ich verehre, kommentierte: »Ich hätte zehn Jahre meines Lebens gegeben, wenn ich Sternes um auch nur ein Jahr hätte verlängern können.«     

2 Kommentare zu “Laurence Sterne”

  1. Rolf Hannes

    Lieber Manfred, hab mal vor einiger Zeit in eins meiner Skizzenbücher geschrieben:

    Beim Wiederlesen von Sternes Tristram Shandy gewinne ich folgende Gewißheit. Dies ist ein Buch übers Bücherschreiben und gleichzeitig eins übers Bücherlesen. Alles, was Ironie aufzubieten vermag, ist in diesem Buch vereint, grafisch, typografisch, illustratorisch, politisch, philosophisch, psychologisch, literarisch.

    Es ist einfach eins der wunderlichsten und wundervollsten Bücher der Weltliteratur. Ich besitze es in mehreren Übersetzungen und Ausgestaltungen. Schön, wenn Du heute an diesen merkwürdigen und großartigen Autor erinnerst.

    Gruß Rolf

  2. Regina

    ja, ich kenn die schöne Liebesgeschichte von Klopstock und Meta. Und er sagt: es dünkt miir, als ob Du, meine Zwillingsschwester, mit mir im Paradiese geboren wärst. Gegenwärtig sind wir noch nicht da, aber wir werden dahin zurückkehren und wie viel mehr werden wir dort noch glücklicher sein……. Mir ist schwindelig, Liebe läßt die Welt sich drehn!!! ciao Regina