Eine Nacht in der Pyramide

Erst Anfang März wurde bekannt, dass in der Cheops-Pyramide bei Giseh eine neue Kammer gefunden wurde: zwei Meter hoch,  zwei Meter breit, neun Meter in die Tiefe gehend. Wozu sie diente, weiß man noch nicht. Ich erwähne das, weil ich William Brugh Joy wieder einmal das Wort geben möchte, der eine Nacht in der großen Cheops-Pyramide verbrachte.

Das ist nicht so dramatisch wie die Erfahrung von Paul Brunton dort, aber gleichwohl angsteinflößend. Brugh Joy schildert seine Vorüberlegungen (in dem bekannten Buch Weg der Erfüllung 1979, deutsch 1985). Die Auflösung des Todes-Raumes sei von allen umwandelnden Erfahrungen (Transformationen) die schwierigste.

Ich verbrachte neun Monate damit, den Prozess des Todes in Beziehung zu meinem Ego und zu meinen Ideen über mich selbst durchzuarbeiten. Während dieser Zeit wurde mir bewusst, dass ich auch meine Identifizierung mit meinem Körper auflösen musste. Mit anderen Worten, ich musste die Angt vor dem physischen Tod und dem psychischen Tod loswerden. … Bitte beachten Sie, dass ich hier nicht von der Vernichtung der physischen Form oder des Ego spreche. Ich spreche von der Erweiterung zu einem Bewusstseinszustand, wo der Verlust des einen wie des anderen bedeutungslos ist. Dieser Zustand ist Unsterblichkeit, und diese hat absolut keinen Begriff vom Tod. 

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service-pnp-stereo-1s20000-1s21000-1s21400-1s21403rBrugh Joy lebte in der Findhorn-Gemeinschaft und reist mit zwei Freunden nach Ägypten. Erst einmal kletterten sie die Pyramide hoch. Er suchte sich den schwierigsten Weg aus und erinnerte sich an etwas, das geschah, nachdem er zwei Drittel des Wegs zurückgelegt hatte.

In diesem Moment überfiel mich ein ungeheuer mächtiger Impuls, mich in die Tiefe zu stürzen. Noch nie im Leben hatte ich einen solchen Impuls erlebt. Aber statt loszulassen, riss ich mich zusammen und kletterte weiter hinan, aber ich musste alle meine Selbstbeherrschung aufbieten, um nicht zu springen. Kaum hatte ich aber die Spitze erreicht, verschwand dieses Gefühl. … Die Erfahung war unheimlich, beinah, als gäbe es dort eine Art von Barriere oder ein Kraftfeld, durch das man hindurch musste.

service-pnp-ppmsca-03900-03959rÜber Nacht zu bleiben war unmöglich. Von fünf am Nachmittag bis acht ging es und dann wieder am nächsten Morgen von fünf bis acht. Ein junger Beamter unterzog ihn erst einem Verhör, ob er bei Sinnen sei, und als er sich davon überzeugt hatte, warnte er ihn: Man könne verrückt werden, wenn man zu lange in der Pyramide sich aufhalte.

Vollmond im Februar 1975. Fünf Uhr am Nachmittag. Ein Torhüter steht da, und für ein paar ägyptische Pfund will er vergessen, den Gast um acht wieder hinauszulassen. Brugh Joy betritt die Kammer.

Als ich vor dem Eingang zum ersten kleinen Korridor verharrte, bemerkte ich ein Licht, das meinen Körper zu berühren schien und sich mehrere Fuß weit erstreckte. Anfangs argwöhnte ich, es könnte eine Halluzination sein, aber als ich mich an den Mauern entlangtastete, stimmte das, was meine Hände fühlten, mit dem überein, was meine Augen sahen. Meine Ego-Grenzen lösten sich auf, und die Pyramide und ich verschmolzen zu einer Einheit. Ich verbrachte beinahe drei Stunden in der Kammer der Königin und stieg dann in die Kammer des Königs hinunter, um dort neun Stunden lang Erfahrungen zu machen, die ich auch heute noch nicht mit Worten zu artikulieren vermag. 

Nach zwölf Stunden war der Prozess der Loslösung und Erweiterung abgeschlossen. Ich war in diesen zwölf Stunden gestorben. … ich hatte die Erfahrung vollbracht, in Bewusstseinszustände einzutreten, von denen ich mir nicht einmal hätte träumen lassen. … Ich erreichte den Ausgang um sechs Uhr zehn — kurz vor Sonnenaufgang. Wie durch Magie tauchte der Torhüter auf und schloss die Pforte auf. … Ich erkletterte die Pyramide, um dort den Sonnenaufgang und den vollen Untergang des Mondes zu erleben.

Ich war die Wiedergeburt.
Meine Begegnung mit dem inneren Tod war vollbracht … 

 

Illustrationen: mittleres Bild unbekannt (ca. 1899); oben und unten Maison Bonffils, Beirut, zwischen 1867 und 1899. — Dank an Libraty of Congress, Washington D. C.

 

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