Die bunte Schweiz

Giovanna ist heute, am Schweizer Nationalfeiertag, sicher in Lüsis beim Brunch mit Volksmusik. 1291 entstand die Eidgenossenschaft. Vor 500 Jahren, um 1523, steckte sie in einer Krise und in einem Krieg. Die Reformierten unter Zwingli standen gegen die Katholiken der Innerschweiz, hatten aber auch Probleme mit den Lutheranern und den Calvinisten. Wir versuchen, die Lage zu entwirren. 

Als ich die Liebesgeschichte Ursula von Gottfried Keller (1819-1890) las, diesem begnadeten Erzähler, wollte ich plötzlich alles über die damalige Lage wissen. Der Hansli Gyr kommt vom Krieg heim und findet seine Jugendliebe Ursula völlig verwirrt vor, und alle scheinen durchzudrehen, auf das neue Jerusalem zu warten und halten heilige Reden. Das Mädchen wurde davon angesteckt. Übrigens liegt sein Gut am Berg Bachtel am Nordufer des Zürisees, wo auch das Buch Wenn sie morgen kommen von Arthur Honegger spielt. Und übrigens geht Ursula gut aus: Der Hansli und sie werden ein Paar.

008Vor 500 Jahren taten sich wichtige Dinge. Luther hatte 1515 seine Thesen angeschlagen und Ulrich Zwingli in der Schweiz die Reformierte Kirche gegründet: keine Bildwerke und Statuen, kein Zölibat und keine Eucharistie in der Messe. Zürich übernahm den Glauben, weitere größere Städte folgten, doch die Innerschweiz blieb dem Katholizismus und dem Papst treu. Nach den Kappeler Kriegen 1531 fand man zu einem Kompromiss: Die Kantone durften entscheiden, welcher Glaube in ihren Grenzen gelten sollte. Daher kommt der heutige religiöse Flickenteppich in der Schweiz. Es war jedoch ein friedlicher Spruch, der für die Eidgenossen spricht.

DSCN4630Später (1559) schufen sich die Calvinisten in Genf eine Bastion, und auch sie hatten Probleme mit den Reformierten. Doch auch da konnte man sich einigen. Es gab auch Splittergruppen wie die Mennoniten und die Wiedertäufer. Sie wurden verfolgt und auch umgebracht, weil sie jegliches Amt ablehnten, denn sie waren absolut gegen Gewalt. Leider muss man erwähnen, dass es in der Schweiz im Mittelalter 10.000 Hexenprozesse gab. In der unerleuchteten Zeit damals hatten Demagogen leichtes Spiel, und die Reformierte Kirche trieb es fast noch ärger als der Katholizismus.

Seien wir froh, dass die Religion keine große Rolle mehr spielt. Der Wahnwitz, den Namen Gottes für Feldzüge zu missbrauchen, hat Millionen Menschenleben gekostet. Doch war der Nationalsozialismus auch eine Art Religion, und wir müssen uns davor hüten, ungeprüft Parolen weiterzugeben, die menschenfeindlich sind. Wir brauchen keine Dogmen und keine Demagogen, nur Liebe und Toleranz dem Mitmenschen gegenüber.

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Der Feiertag ist wichtig für die Auslandsschweizer. Walter Widmer erzählt aus dem Jahr 1941:

DSCN4612Zum 1. August hatten wir auf Anstoss eines Schweizer Kameraden eine kleine Feier vorbereitet. Im Kamp »Morand« zwischen Boghari und Boghar waren wir Schweizer, mein spanischer Kamerad und einige andere Legionäre beisammen, um fern unserer Heimat den Bund der Eidgenossen zu feiern. … Bei Wein und Schnaps und gutem Essen sangen wir Schweizer Lieder und ließen die Heimat hochleben. Diejenigen Kameraden, denen die deutsche Sprache fremd war, sangen die Melodie mit. Anschließend trug jeder ein Lied in seiner Muttesrprache vor. Ich wusste, dass es nicht der Alkohol war, der dabei manches Auge feuchter glänzen ließ.

Der Auszug ist aus dem Buch In der Hölle der Fremdenlegion. Widmer hing 16 Jahre in ihr fest. Wir denken auch an die Schweizer Söldner, die vom 13. Jahrhundert an in fremden Diensten standen. Sie waren gute Kämpfer, und an ihnen wurde verdient. Unternehmer bildeten ganze Regimenter aus und boten diese den Kriegsparteien an — Spanien oder Italien oder eben jedem, der zahlen konnte. Man kannte unter den Söldnern auch die »Schweizerkrankheit«: das Heimweh. 1709 war die Schweiz schockiert, als in einer Schlacht 8000 ihrer Söldner starben, die sich, da unterschiedlichen Parteien angehörend, meistenteils gegenseitig abgeschlachtet hatten.

Erst 1859 wurden die Söldnerdienste verboten. Nur der Vatikan erstritt sich eine Ausnahme, darum gibt es dort heute noch die Schweizergarde.

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