Eliza Draper

Gerade von Laurence Sterne (1713-1768) The Sentimental Journey gelesen, einen kleinen Reiseroman über seinen Aufenthalt in Frankreich. Der »gefühlvolle Reisende« passte in die Zeit der Empfindsamkeit, für die in Deutschland Klopstock und Lessing stehen. Sterne verliebte sich im Januar 1767 in Eliza, die aber schon im März wieder nach Indien reisen musste. Am 3. August 1778 ist sie gestorben, zehn Jahre nach Sterne (manipogo hat ihn schon gewürdigt), erst 34-jährig.

Die sentimentale Reise dreht sich um Sterne als Ich-Erzähler, und nicht Land und Leute stehen im Vordergrund, sondern der stets verliebte Reisende und eine Frau. Er erlebt  amouröse Begegnungen, hält da und dort eine Hand, aber dabei bleibt es auch, und Sterne versucht nicht einmal, sich etwas zu erfinden oder eine Leerstelle zu lassen. Wie galant man damals war, wie gebildet man sprach! Die Werbung verlief auf hohem intellektuellen Niveau, und man hat den Eindruck, es sei mehr um den geistigen Austausch und die geglückte  Annäherung gegangen als um deren körperliche Besiegelung: Verliebtsein und Werben als Dauerzustand, als Lebenselixier. 

Ian Jack schreibt in seiner Einführung zum Tagebuch für Eliza, das dann irgendwann abbricht, weil Laurence Sterne die Lust verlor und Eliza unerreichbar blieb: Es sei »nicht das einzige Tagebuch eines Liebenden, das magisch begonnen und als Fantasie weitergeführt wurde, und je weiter wir blättern, desto klarer wird, dass es das Leben selbst war, in das Sterne verliebt war, eher als in die bestimmte Frau Eliza Draper.« – »Amo, ergo sum«, schreibt Jack: Ich liebe, also bin ich. Laurence Sterne schreibt sympathisch und ist self-conscious, wie die Engländer sagen: selbstbewusst, was hier allerdings bedeutet selbstvergrübelt, analysierend, geistesklar.  (Ein idealisiertes Gemälde, Eliza darstellend, 1779.)

Laurence Sterne war Geistlicher und ein unkonventioneller Mensch. Sein irrer Tristram Shandy brachte ihm Ruhm ein, das war 1761, als er fast 50 Jahre alt war. Er saß noch an der Fortsetzung und dachte über ein weiteres Buch nach, reiste viel in Italien und Frankreich herum und hatte dann den Einfall zu einem ungewöhnlichen Reisebuch. Seine Ehe dümpelte so dahin, er war lungenkrank, dann traf er Eliza und verbrachte drei Monate mit ihr, was zu Gerede führte, wonach ihr Mann Daniel Draper sie wieder nach Indien rief. Der Abschied war schwer für beide. Jeden Tag schrieb er ihr, und das führte zu dem Journal for Eliza. Drei Wochen nach Veröffentlichung der Sentimental Journey starb Sterne, im März 1768.  (Das Gemälde zeigt ihn 1760.)  

Eliza musste in Indien, wie aus einem Aufsatz der Sterne-Stiftung hervorgeht, mit ihrem Mann umziehen, der 600 Kilometer von Bombay entfernt eine neue Aufgabe erhielt und an ihr scheiterte, und 1773 flüchtete Eliza zu einem englischen Commodore und reiste nach England zurück, wo sie in der Cavendish Square in London lebte. Wie fast 200 Jahre später Hemingways junge Geliebte sonnte sie sich in dem Ruhm, von Sterne verehrt worden zu sein, wurde aber zur Muse von anderen, und der französische Autor Abbé Raynal verliebte sich ebenso heftig in sie wie Sterne damals und erträumte sich ein Heim zusammen mit ihr.  

Dann jedoch starb Eliza früh, und bestattet ist sie unter einem pompösen Grabmal im Dom von Bristol.

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