Alfred und Gisela Andersch

Ausstellungen zur Literatur sind selten – und auch schwierig zu gestalten. Das Museum Strauhof in Zürich schafft es seit 25 Jahren, Autoren, Autorinnen und ihre Werke plastisch werden zu lassen. Bis 2. März noch stellt das Museum in der zentral gelegenen Augustinergasse 9 Alfred und Gisela Andersch vor.

Natürlich sind die beiden heute vergessen, und Anlass ist der 100. Geburtstag beider. Ich hatte das Buch Die Rote von Alfred Andersch Mitte der 1970-er Jahre noch als Schullektüre, und sein Autor zählte innerhalb der Generation der Nachkriegsautoren zu den beachtetsten. Er wurde 1914 in München geboren, als der Erste Weltkrieg anfing, und seine Frau Gisela, die Malerin, 1913. Beide blieben während des Zweiten Weltkriegs in Deutschland, zogen 1958 (ein Jahr nach meiner Geburt) in das 80-Seelen-Dorf Berzona im Tessin und arbeiteten dort. 

Das Museum Strauhof

Bei Ausstellungen geht es ja meist um vergangene Werke und verschwundene Menschen, und es fragt sich: Was sagt das einem noch? Ich fand Andersch ja recht gut und habe ihn hier schon einmal vorgestellt, und in einem Kolumnenbeitrag der Kritischen Ausgabe plus über eine Ostseereise kam er auch vor.  

Aber dann verändert sich etwas. Ich sagte mir auf dem Weg zur Ausstellung: Wie selten sind doch herausragende, zeitlose Werke! Und als ich dann vor den Vitrinen stand mit den Briefen, die Canetti oder Frisch oder die Bachmann dem Andersch schrieben (mit der Schreibmaschine) und mit Fotos (Andersch und Frisch auf der Terrasse) und Auszügen aus Interviews, da dachte ich mir: Wie fern das doch wirkt! 

Andersch, der hagere Mann mit seiner Brille, gab sich natürlich als der »Großschriftsteller«, wie das Robert Musil genannt hat. Gönnerhaft und leicht arrogant trat er auf, wenn Journalisten kamen in seine »selbstgewählte Einsamkeit«, und ein Berichterstatter durfte ihn auch beim Baumschnitt im Garten beobachten und machte einen öden Film daraus. Ja, diese Welt der 1960-er und 1970-er Jahre mit der Olivetti-Reiseschreibmaschine und politischem Engagement, Wein und Lasagne und Gespräche unter Intellektuellen über wahre Kunst und Lebenskunst! 

Natürlich wollte ich früher auch so ein Schriftsteller sein, aber heute scheint das irreal und natürlich auch romantisch. Man möchte ja als junger Mensch ein ganz wichtiger Zeitgenosse sein. Gisela malte, Alfred (genannt Fred) schrieb. Er schrieb ja auch kritische Gedichte über Mitläufer und die damals noch von Altnazis durchsetzte Gesellschaft (sein Kollege W. G. Sebald hielt ihn jedoch selber für einen Mitläufer), und in seinem letzten Interview vor seinem Tod im Februar 1980 appellierte er wie die Linken damals: »Stoppt Strauß!« Wer war Strauß? Davon ein andermal.  

Eine etwas karge Ausstellung ist es, verglichen etwa mit der opulenten über Nelly Sachs vor vielleicht zwei Jahren in unserem Museum Strauhof. Leider hat die Stadt Zürich beschlossen, das Museum schließen zu wollen (hier die Pressemitteilung dazu). Das James-Joyce-Archiv soll ausgelagert werden, und seinem Leiter, Fritz Senn, hat man gerade noch einen Kulturpreis verpasst, gewissermaßen als Entschädigung.

Die Stadt will im Strauhof Literaturkurse für Jugendliche abhalten, seltsam, und freut sich auf eine Einsparung von einer halben Million Franken jährlich. Aber es gibt starke Proteste, das Museum ist einzigartig; im Februar sind Wahlen in der Stadt, und es ist denkbar, dass das Haus nach 100 Ausstellungen und 25 Jahren doch am alten Ort weitermachen darf.

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