Der Garten der Finzi-Contini

Was ist so großartig an dem Buch Der Garten der Finzi-Contini von Giorgio Bassani? Ich versuche es herauszuholen. Jetzt kenne ich Santa Marinella – in der Nähe, an der Burg von Santa Severa, beginnt der Prolog – und auch Ferrara kenne ich, die Stadt der Handlung. Aber es geht ja um die Geschichte.

Bassani, der »Chronist von Ferrara« in der Poebene unweit der Adria, erzählt seine Geschichte, und der historische Hintergrund sind die Jahre von 1929 bis 1939. Mussolini regiert und verfügt auch, dass Juden aus dem öffentlichen Leben entfernt werden sollen. Der Erzähler ist Schüler, später Literaturstudent und verkehrt im Haus der reichen jüdischen Familie Finzi-Contini. Er verliebt sich in Micól, die Tochter. Sie ist eine unvergessliche Frauengestalt: Mädchen an der Schwelle zur Frau, ironisch und modern, selbstbewusst und sprunghaft; zum Verlieben. Sie lebt mit ihrer Familie in einem Anwesen oben hinter den berühmten Mauern von Ferrara. 

Die berühmten Mauern von Ferrara

Es gibt ja immer wieder Romane, denen man ansieht, dass sie »große Zeitromane« sein möchten. Das Paar lernt sich kennen, Ost und West, 1989 ist wichtig, alles überladen und symbolisch gestaltet, aber oft auch sehr gewollt. Bassani aber konzentriert sich auf seine Geschichte, wie er Micól näher kommt, wie gleichzeitig aber auch das Unheil näher kommt.  

Das Symbolische ist dabei so sehr Teil der Handlung, dass man es nur unterschwellig wahrnimmt; so muss das sein. Zu Beginn lernt der Erzähler Micól kennen und weiß nicht, wo er sein Fahrrad unterbringen soll (es ist ein Roman, in dem viel Fahrrad gefahren wird). Sie schickt ihn zu einer Art unterirdischen Grabkammer, und er schiebt sein Rad hinein in einen Saal mit 40 Metern im Durchmesser. Dann sitzt er da und denkt nach: Wenn er nie mehr herauskommen würde? Seine Familie würde um ihn trauern. Nur nachts würde er sich hinauswagen. Diese Szene in dem unterirdischen Saal spricht bereits vom Verschwinden, das Vom-Erdboden-Verschluckt-Werden, das das Schicksal der Familie am Ende des Romans sein wird. (Illustration: eine Öffnung in den Mauern. 

Und ganz am Ende wird es symbolisch, als der Erzähler im Mondlicht mit seinem Rad an Liebespaaren vorbeirollt, die ihn nicht sehen, die halb erstarrt daliegen und er sich dabei wie ein Geist fühlt, »voller Leben und Tod gleichzeitig, voller Leidenschaft und Mitleid« (passione e pietà). Auch das ist ein Bild des Todes, das stark wirkt und nur indirekt; er will zum letzten Mal die Villa sehen und sieht die Tragik, so wie uns manchmal das Leben schon zeigt, was geschehen wird.  

Natürlich ist es eine traurige Geschichte, aber auch die schlichte Geschichte einer Beziehung, die durch unglückliche Faktoren nicht zu einer Liebesbeziehung wird, aber einen Reifeprozess auslöst. Der Garten der Finzi-Contini ist ein Meisterwerk.

Ein Kommentar zu “Der Garten der Finzi-Contini”

  1. Marc Eberth

    Die Begeisterung für dieses Buch kann ich nur teilen . Schön , dass hier auf diesen Autoren aufmerksam gemacht wird . Sehr zu empfehlen sind auch die “Ferrareser Geschichten” oder der traurige Roman “Der Reiher”