Überflüssigmachung

Die Freiburger Universitätsbibliothek ist ja seit einigen Monaten in Dienst. Die Selbstverbuchung, die mir zwei Jahre zuvor angekündigt worden war, ist Realität. Klappt ja gut. Das Garderobenfach öffnet man mit der Computerkarte. Früher war das anders, da griffen noch echte Menschen zu.

Zwanzig Jahre ist es her, da warteten in der Uni-Bibliothek I mindestens sechs oder sieben Damen, um deine Kleider in Empfang zu nehmen und aufzuhängen, gegen eine Marke. Das Garderobenfach hatte einen simplen Schlüssel. Die Bücher wurden von einem Menschen verbucht. Zwei Straßen weiter gab man das Leergut des Supermarkts bei einer (meist) lächelnden Südamerikanerin ab.

Heute sind wir weiter. Oder? Ich kann praktisch unerkannt das riesige Gebäude betreten und es wieder unerkannt verlassen (aber sicher gibt es eine Videoanlage). Wenigstens für Reinigungsarbeiten braucht man noch Menschen. Damit kann man noch Geld verdienen: mit Putzen. Die Flaschen steckt man in jene Ungetüme, und man benötigt nur noch Servicekräfte für Überholung und Reparatur, diese jungen Männer mit Köfferchen und Lieferwagen.

Ende Januar schrieb Frank Rieger aus Davos für die FAZ: »Früher ging es primär um die Ablösung körperlicher Arbeit, die zu einem guten Teil durch geistige Arbeit ersetzt wurde, insbesondere Dienstleistungen und Büro- und Verwaltungstätigkeiten. Nun geht es aber darum, überall dort, wo nur ein kleiner Teil der Gesamtleistung des Gehirns gebraucht wird, den Menschen überflüssig zu machen. (…) Knapp die Hälfte der heute existierenden Tätigkeiten wird nach wissenschaftlichen Studien in zwanzig Jahren nicht mehr als Broterwerb taugen. (…) Das einzig verbleibende relevante Produktionsmittel ist Kapital. Wer in moderne Maschinen und Software investieren kann, streicht im derzeitigen System den Mehrwert aus deren Produktivität ein.«

Man kann kaum mehr auflisten, was nicht alles automatisiert und computerisiert wurde. Der Detailhandel verschwindet. Wenn ich gerne eine CD oder eine Film-DVD hätte, müsste ich sie mir irgendwo bestellen und liefern lassen. Den alten Plattenladen gibt es nicht mehr. Fabriken sind automatisiert, man braucht noch Einpacker und Träger, Dispatcher und Logistiker und Fahrer.

Wir werden unsere Lebensmittel selber verbuchen, draußen in das selbstfahrende Auto steigen und schon mittels Smartphone die Heizung zu Hause aufdrehen. Hotels und Flüge reservieren wir uns selber. Wo sind die Arbeitsplätze für uns und die Flüchtlinge? Sie werden immer knapper (die Arbeitsplätze). Sie verschwinden in dem Maße, in dem Dialekte und seltene Tierarten auf der Erde verschwinden. Wo kannst du dich verwirklichen? Vielleicht im Maschinenbau.

 

Die Kommentarfunktion ist derzeit geschlossen.