Engel und die Elektrizität
An Entertainment for Angels nannte Patricia Fara ihr Buch über Elektrizität in der Aufklärung, und in einem neuen Buch heißt das letzte Kapitel Körper der Engel als Inkarnationen der Medien. Was die Engel mit Strom und Smartphone zu tun haben, wüssten wir alle gern ― und auf manipogo erfährt man es.
Irgendwie fühle ich mich für Religiöses zuständig und wache auf, wenn an unerwarteter Stelle die Engel auftauchen. Bei Frau Fara ist das einfach. Die Wissenschaftshistorikerin verbreitete sich 2002 über die Frühgeschichte der Elektrizität, die es noch vor 300 Jahren nicht gab; doch Mitte des 18. Jahrhunderts wurden an vielen Plätzen Demonstrationen gegeben. Statische Elektrizität wurde in Umlauf gesetzt, Haare funkelten, Menschen wurden geschockt, grad lustig war’s. (Der vergangene Donnerstagabend, muss man sagen, war auch elektrisch/elektrisierend: das Spiel Liverpool gegen Dortmund. Ich hatte ja keine Spiele mehr sehen wollen … aber das war eine Sensation. Nach dem letzten Tor, dem 4:3, brach die Hölle los an der Anfield Road. Das Tor war wie der Funke an einer Zündschnur, die das Stadion schier zur Explosion brachte. Wahnsinn!)
In einer Einführung für junge Menschen in die Wissenschaft wurde 1763 verkündet, die Elektrizität sei voller Wunder, der beliebteste Zeitvertreib dieser Ära und überhaupt »eine Unterhaltung für Engel«, nicht für Menschen. So toll fand man die Phänomene, dass man sich bei der Religion bediente.
Anders bei Florian Sprenger in seinem Buch Medien des Immediaten (2011). Das ist Medientheorie, die auch bei der Elektrizität anfängt, aber bis in die Jetztzeit reicht, bereichernd, aber auch mit allen intellektuellen Spielereien der Medientheoretiker. Der berühmte Marshall McLuhan (der den Spruch »The medium is the message« prägte) war Katholik und wies auf die Gefahr hin, man könne die Elektrizität für Gott halten. Elektrische Kommunikation sei »Kommunikation minus den Körper«.
»Der entkörperlichte Mensch spricht über das Telefon mit anderen Menschen und glaubt, ihnen nahe zu sein. Er hält die Information, in die er für die Übertragung in elektrischen Medien transformiert worden ist, für sich selbst. Im globalen Dorf verliert er seine Identität, ohne es zu merken«, schreibt Sprenger. In der Gleichzeitigkeit der Übertragung lauere die Gefahr. »Denn durch elektrische Medien wird nicht der Körper eines Menschen, sondern eine Funktion, eine Botschaft oder eine Wirkung übermittelt«, sein fleischlicher Körper jedoch verliere sich »in der Weite der Ausdehnung«.
Angelism ist ein Begriff von Jacques Maritain und bezeichnet die cartesische Entkörperlichung (René Descartes spaltete den Menschen in Geist ― res cogitans ―und Körper ― res extensa.) »Sie resultiert aus dem Nachahmen der Engel durch Entkörperlichung und Vergeistigung und der Vermeidung jeder Sinneswahrnehmung und Imagination. … Diese Entkörperlichung ermöglicht den Zugang zu einer Sphäre des Geistes, die zuvor nur nach dem Tod erreichbar war.«
Aber: »Im angelism verschwindet die Analogie zur Wahrnehmung, dem kreativen Prozess und der Inkarnation. Resonanz verliert ihre Bindung. … Weil der Mensch ganz und gar in seiner Extension [Ausdehnung] aufgeht, verliert er die Religion.« Das ist, wie immer, auf absolute Weise behauptet. Etwas anderes tritt wohl an deren Stelle, vielleicht ein Allgefühl, in einem geschützten Raum mit Gleichgesinnten zu sein, was wichtiger ist als die Anwesenheit hier und der Körper.
Man kann das alles nicht zwischen Tür und Angel abhandeln. Es wird viel geschrieben heute; Texte eilen hin und her, als sprächen sie selber untereinander. Es kommt auch zu realen Kontakten, die dann mit den Botschaften abgeglichen werden müssen wie beim Date, dem Mails und SMS‘ vorhergingen. Die Engel werden lebendig, im Schlepptau der Phrasen und Floskeln, und das Treffen ist dann wie die Messung in der Quantenmechanik, der Zusammenbruch der Wellenfunktion, das Entstehen von Realität.