Über Armut

Die Zeitschrift a tempo des Verlags Urachhaus in Stuttgart, die oft in Buchhandlungen ausliegt, liest sich schön. Sie wird von Anthroposophen gemacht und ist von einem ethischen Engagement getragen, dass man sonst nur in kirchlichen Zeitschriften findet. Ein Artikel von Jelle van der Meulen in der September-Ausgabe interessierte mich. Er hieß »Die Not Europas«.

Der 1950 geborene niederländische Journalist Jelle van der Meulen, der in Köln lebt und arbeitet, gehört zur Hilfsorganisation Aynimundo und hat in den Elendsvierteln der peruanischen Hauptstadt Lima gearbeitet. Nun hat er ein Buch vorgelegt: »Armut als Schicksal. Über die Armut in Peru und die Not Europas.« In seinem Artikel geht er auf Armut und Not ein und stellt Victoria Rondón aus Lima vor, die in deutschen Schulen über die armen Viertel ihrer Stadt spricht und meint, Kinder hier hätten Spaß, aber sie sehe »wenig Freude dabei«. Vielleicht hätten sie Angst vor der Freude?

Ruine, von Armen bewohnt, im Süden Roms

Schwierig; aber einen »Schmerz Europas« gebe es auch, wie der Autor und die junge Frau überlegen. Kann man ja selbst beobachten: das Tempo der Geschäftswelt, die hohen Anforderungen an die Kinder, hektischer Medienkonsum statt Bücherlesen, keine Religion mehr, alles kaufen, rastloses Reisen, dicke Autos und großer Garten, aber: wenig Freude. Es gibt eine Menge Leute, die nichts mit sich anzufangen wissen und sich von den anderen möglichst fernhalten, dafür aber möglichst viel fernsehen. 

Straße in Marokko

Jelle van der Meulen erinnert uns daran, dass der Wohlstand, der in Europa die »unverrückbare Norm« sei, vielleicht von einem knappen Zehntel der Menschheit tatsächlich erreicht werde. Wir Menschen sind nun ja sieben Milliarden (van der Meulen scheint noch von sechs auszugehen), von denen drei Milliarden weniger als zwei Dollar am Tag zur Verfügung haben. Gestern Abend erst zeigte CNN Bilder aus Afghanistan, wo Kinder zu klein, krank und geschwächt sind, weil ihre Mütter (und sie) zu wenig zu essen haben.

Drei weitere Milliarden Menschen kommen einigermaßen gut durch, und »nur« 500 bis 700 Millionen geht’s blendend. Unter zehn Erdenbürgern steht also ein Wohlstandsbürger. Und der schimpft meistens, weil ihm irgend etwas nicht passt. Oder er streikt, wenn er zufällig Arzt ist und meint, mehr Geld wollen zu sollen.       

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