Das Licht und Fessenheim

Fessenheim liegt für mich 15 Kilometer entfernt, hinter dem Rhein. Sonntag war am Nachmittag in der katholischen Kirche ein Konzert angekündigt, zwei Stunden »Beseligung«, für die Bernard Guntz und seine Truppe mit Liedern und Lobgesängen sorgen würden. Das Motto hieß Hin zum Licht (Vers la lumière), und ich fuhr gemütlich in einer Stunde mit dem Rad hin, in Erwartung des Lichts.

Die Kirche ist von außen schlicht, schlank und unauffällig, innen aber hübsch barock. Bernard Guntz und eine Sängerin, beide in strahlend weißen Hemden, traten vor den Altar, und es wurde gesungen. Spots strahlten abwechselnd Säulen, das Bild einer Taube und des segnenden Christus sowie den Altar an. Die Hauptperson ist schon ein alter Mann, im Dienst für den Herrn bucklig geworden, aber aus ihm leuchten Eifer und Freude. Ich liebe religiöse Menschen.  

Später dann wurde mir die Musik etwas zu gefällig und opulent-fließend, doch es war passend für die rund 100 Besucher, die meisten im Rentenalter. Es wurde das Lob des Herrn gesungen. Das Licht komme herab, sei herabgekommen (la lumière est venue sur la terre), Herr, ich atme zu dir, Herr, beschütze mich. Bernard Guntz sang über das Elsass, das stets zerrissen worden sei und wo die Mütter ihre Söhne beweinen hatten müssen. Auch auf deutsch sang er.  

Draußen hing immer noch hoch im Himmel das Transparent, auf dem die kleine Gemeinde Fessenheim bekundet, ihr Atomkraftwerk behalten zu wollen.  

 

Die Leute haben dort ihre Arbeitsplätze. So einfach ist das. Drei Kilometer Richtung Norden, am Rhein, stehen die beiden riesigen Töpfe auf riesiger Brache mit Parkplätzen, umgeben von einem Doppelzaun mit Stacheldraht. Das ist die elsässische Gegenwelt zu den lauschigen Dörfern mit Blumen vor den Fenstern. Mein (wie so oft unscharfes) Bild zeigt die Meiler, im Hintergrund sieht man den Schwarzwald mit dem Hochblauen.    

 

Die Fessenheimer können sich aber schon mal nach Arbeit in Mülhausen umschauen, 20 Kilometer entfernt. Denn Präsident Hollande wird den Meiler abschalten lassen. Natürlich blinkten am Sonntag die Motive auf. Das Licht kam herab — und ging in der Kirche an. Licht vom Atom vielleicht? Das Licht der Aufklärung und das Licht der Erkenntnis (da ging ihm ein Licht auf) sind démodé. Diese Gesellschaft will Strom, weil so viele Geräte zu betreiben sind.  

Nun: die Sonne. Der Wind. Wir werden vielleicht einstens wieder die Sonne anbeten wie vor tausenden Jahren, aber nicht aus religiösen Gründen, sondern weil sie hilft, unsere Apparate anzutreiben. O Großes Energiezentrum, hilf, dass ich auch morgen mein iPhone einschalten kann. Der Katholizismus liegt in den letzten Zügen. Aber er wird noch länger bestehen als die Atomkraft. Fessenheim wird einmal eine schöne Ruine sein.  

Das wäre ein schöner Schlusssatz gewesen. Leider aber gibt es die alten Brennstäbe, die »endgelagert« werden müssen, und im September war im KultWerk West auf St. Pauli der Anwalt Nikolaus Piontek zu Gast, der seit Jahrzehnten Familien in Gorleben (Niedersachsen) vertritt, die das Endlager nicht wollen. Er sagte, das hoch radioaktive Material strahle nach 10000 Jahren noch (mit dann 10 Prozent, wenn ich mich richtig erinnere), aber dann gehe die Radioaktivität wieder in die Höhe. Nach 100000 Jahren sei die Gefahr immer noch groß.  

Man muss kein religiöser Mensch sein, um da von einem Schauder überrieselt zu werden und heilige Wut auf jene zu empfinden, die dies alles gewusst und in Kauf genommen haben.

 

 

 

 

 

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