John Keats

Das Buch Frankenstein entstand 1818 aus einem Wettbewerb heraus. Lord Byron, Percy Bysshe Shelley, seine Frau Mary und Doktor Polidori wollten einen düsteren Krimi schreiben, und nur Mary, die der Ehrgeiz gepackt hatte, schaffte es. Und wie! Damals galten Shelley und Byron als die größten englischen Dichter, und von einem anderen jungen Mann, einem Talent, sprach man bereits: John Keats.  

017Keats, 1795 in London geboren, kam aus einfachen Verhältnissen, genoss eine fortschrittliche Erziehung und studierte Medizin ― die er aber nie ausüben wollte. Er wollte Dichter werden und gleich einer der besten. Er schaffte es; in einer Anthologie mit 50 englischen Gedichten aus 700 Jahren sind 3 von ihm aufgeführt. Doch richtig bekannt wurden Keats‘  Werke erst hundert Jahre nach seinem Tod. In der Nähe des Hauses, in dem der Dichter eine Weile gelebt hatte, dem Keats House in Hampstead Heath im nördlichen London, lud Anita Miller zu ihrem Keats-Walk ein. (Ich verbrachte die letzte Maiwoche in London, habe viel Material gesammelt, darum wird es diesen und nächsten Monat auf manipogo viel über London zu lesen geben.) Sie führte uns (eine Gruppe von etwa 15 Literaturfreunden) zwei Stunden herum und erzählte von Keats‘ Lebensstationen. Der junge Mann studierte länger Medizin, als er literarisch produktiv war. In weniger als fünf Jahren schrieb er sein Werk. (Illustrationen: Keats-Biografie vor der Universität; rechts die Keats-Büste in seinem Haus.)

0361819 war sein magisches Jahr. Er trauerte um seinen Bruder und war verliebt: in Fanny (auch seine Mutter und seine Schwester hießen Fanny), die im Keats House nebenan wohnte, durch eine Wand nur von ihm getrennt. Er schrieb wie besessen. Fanny wollte ihn wohl auch heiraten. Doch dann kam der 20. Februar 1820. Keats kam aus der Stadt heim, hatte auf der Postkutsche Kälte und Wind erduldet, und dann hustete er und spuckte Blut. Als Arzt wusste er, was das bedeutete. Anita zeigte uns den Ort, an dem er – wie Zeugen erzählten – auf einer Bank hemmungslos weinte. Damals war man mit Tuberkulose dem Tod geweiht. John Keats hielt sich nun von Fanny fern, um sie nicht anzustecken. Man riet ihm zu einem Aufenthalt in südlichen Regionen. Also nahm der 25-Jährige die anstrengende Reise nach Rom auf sich, wo er ein Jahr nach dem Ausbruch der Krankheit starb. (Illustration: die Keats-Büste im Keats-Haus.)

034

Bestattet ist er auf dem Protestantischen Friedhof, und auf seinem Grabstein steht: Here lies someone whose name was writ in water. Einer liegt hier, dessen Name in Wasser geschrieben ist. Es bleibt ja nichts, meinte er, und einmal schrieb er: »Der poetische Mensch hat kein Selbst ― er ist alles und nichts ― Er hat keine Merkmale ― Er genießt das Licht und den Schatten.« Und er erklärte: »Nichts auf der Welt kann mich erfreuen, nur das andauernde Aufsaugen von Wissen.«

Die beiden anderen Ausnahmedichter starben bald nach ihm und gleichfalls jung. Percy Bysshe Shelley ertrank ein Jahr später ― im April 1822 ― vor La Spezia, sehr betrauert von Mary. Seine Asche wurde auch auf dem Protestantischen Friedhof bestattet. Lord Byron (George Gordon Byron) starb im Juli 1824 in Griechenland nach einer Erkältung, nachdem ihn Aderlässe tödlich geschwächt hatten.

In einem seiner schönsten Sonette drückt er die Angst aus, die Zeit könnte ihm nicht reichen:

When I have fears, that I may cease to be
Before my pen has gleaned my teeming brain,
Before high piled books, in charact’ry,
Hold like rich garners the full-ripened grain;

When I behold, upon the night’s starred face,
Huge cloudy symbols of a high romance,
And feel that I may never live to trace
Their shadows, with the magic hand of chance;

And when I feel, fair creature of an hour!
That I shall never look upon thee more,
Never have relish in the faery power
Of unreflecting love! – then on the shore

Of the wide world I stand alone, and think
Till Love and Fame to nothingness do sink.

Auf deutsch (übersetzt von Dieter Mehl, 1965, von mir bearbeitet und mit Reim versehen):

Wenn mich die Furcht befällt, dass ich könnt aufhören zu sein,
eh meine Feder meinen regen Geist hat abgegrast,
eh Bücher aufgestapelt hoch bewahren alle Lettern mein,
wie Scheuern sind voll reifem Korn, ein Schatzhaus fast;

Wenn ich auf der Nacht bestirntem Angesicht
die großen wolkenhaften Zeichen einer hohen Dichtung sehe,
und fühle, dass ich es erleben könnte nicht,
die fernen Schatten magisch nachzuzeichnen, wehe!

Und wenn ich fühle, schönes Geschöpf des Augenblicks!
dass ich dich nie mehr darf ansehen,
die feenhafte Macht der wahren Liebe wird ein Opfer des Geschicks:
dann spüre ich mich auf dem kahlen Strande stehen

der weiten Welt, allein, bloß denkend vor mich hin,
bis Liebe und auch Ruhm in nichts schwinden dahin.

 

Die Kommentarfunktion ist derzeit geschlossen.