Mobile Obdachlose
Armando Basile, Italiener mit Wohnort in Heitersheim, hat glücklich seine fünfte Weltreise mit dem Fahrrad geschafft. Vor einem Monat ist er heimgekommen, wie ich dem Rebland-Kurier entnehmen durfte. (Manchmal schreibt er mir auch von unterwegs eine Karte.) Armando ist 69 Jahre alt (zehn Jahre älter als ich) und sagt gern, durchs Radfahren werde man immer noch jünger.
Diesmal ist er anscheinend durch die Schweiz nach Italien gefahren, mit der Fähre nach Griechenland und mit einem weiteren Schiff nach Dubai; sodann nach Indien, Nepal, Indonesien und Bali. Von dort flog er nach Darwin auf Australien, durchquerte den fünften Kontinent, flog von Sydney nach San Francisco und überquerte auch diesen Kontinent, wie es die Radler auf dem Race Across America tun. Armando Basile fährt auf seinen Touren jeden Tag mindestens 150 Kilometer, ob am Rande des Himalayas oder durch das glühendheiße Flachland, das Australien ist.
Kein Wunder, dass er gern durch Australien fährt! Denn da gibt es wenige Autos, und den Lastwagen hört man schon von weitem. In Australien ist man sicherer unterwegs als im hiesigen Markgräflerland. Ich bin kürzlich mit dem Rennrad zum Blauen gefahren, unserem Hausberg, und auf den ersten elf Kilometern hatte ich schon zwei Begegnungen der gefährlichen Art: Ein Solothurner überholte knapp (die Schweizer haben anscheinend Angst, die Mittellinie zu überqueren, als drohten ihnen göttliche Strafen; lieber gefährden sie einen Radfahrer), und ein anderer bog knapp vor mir rechts ein, ohne zu blinken. Je mehr Autofahrer, desto mehr Gefahren. Sie sind achtlos und dumm.
In wie vielen Fahrzeugen sieht man nicht alte Männer am Steuer, denen die Überforderung im Gesicht geschrieben steht! Fortbewegung ist für alle ein heiliges Menschenrecht, und mit Elektroautos möchten sie weiterfahren, bequem und ungestört. Aber was ändert das? Die Fahrzeuge bleiben voluminös und schnell. Ach, lassen wir das Jammern! Das Gefühl, mit ruhigem Tritt die Kehren zum Blauen hochzufahren, ist unvergleichlich; man ist in Form, man ist glücklich; kein Autofahrer kann das ermessen und erleben.
Der Tag, an dem ich das schrieb (7. Juni), hatte seine Magie. Morgens hatte ich mir vorgenommen, meinen Kamerun-Kaffee zu kaufen. Ich fing vorher einen neuen Roman an, Ébano von Alberto Vázquez-Figueroas, und er begann in Kamerun. Und dann erfuhr ich im Eine-Welt-Laden, dass es am selben Abend einen Vortrag zu Kamerun geben würde, von zwei Lehrern. Da bin ich hingefahren. Kamerun war ein Thema des Tags.
Vorher hatte ich obigen Artikel geschrieben und ihn abgespeichert, unzufrieden. Ich hatte das starke Gefühl, da fehle noch etwas. Da ich abends zu früh dran war, fuhr ich noch einen Radweg ab. An einem Anstieg schob ein kleiner Mann sein uraltes Rad, auf dem ein Schlafsack und eine Tasche gepackt war. »Schönes T-Shirt!« lobvte ich. Es waren Indianer und Büffel darauf.
Der Mann hieß Günter Steitz, hatte ein rotes Gesicht und weiße Haare. Er sei auf der Welt unterwegs, sagte er, 100.000 Kilometer schon, wolle nach Freiburg und dort übernachten. Was dann? »Mal schauen, wohin es mich treibt. Wo’s mir gefällt.« Wahnsinn, und das drei Kilometer von Armando Basiles Wohnung entfernt! Er hatte recht: Tatsächlich gibt es von rtl video einen Beitrag über ihn. Steitz ist 60 Jahre alt und seit seinem 16. Lebensjahr auf der Straße. Ein Weltreisender, das mobile Gegenstück zu Billy. Ich war baff und vergaß leider, ihm etwas Geld mitzugeben.
Günter Steitz gehörte zu dem Artikel. Ihn sollte ich treffen. Es ist vielleicht so: Mein ausgedehnter privater Gedankenkosmos ist etwas Konkretes. Ich projiziere, ich schaffe Gedankenbilder, und wenn ich nicht nachdenke und bloß sponten handle, werde ich dorthin geführt, wo diese Bilder sich mit Leben erfüllen. Etwas realisiert sich. Du solltest dich vom Leben führen lassen, riet mir vor vielen Jahren Jean-laude in Südfrankreich. Naiv muss man sein und vertrauensvoll, dann gibt einem das Universum, was man braucht.
Die drei weiteren Artikel über Armando Basile:
Armando Basile; Armando im Norden; Armando in den Städten.