Morgen Sonnet
So schrieb man vor 350 Jahren: Morgen Sonnet. Andreas Gryphius (1616-1664) war ein schlesischer Dichter des Barock, und er schrieb Verse über den Tod, den Glauben, die Vergänglichkeit. Doch dass die Sonne aufgeht, hat auch ihm gefallen (passend: das Sonnet, heute: Sonett). Wir können neu in jeden Tag starten, und Konfuzius riet das: Wenn du dein Leben jeden Tag neu anfangen kannst, tu es!
Auch ich nehme es mir immer wieder vor, jeden Tag. Kürzlich saß ich verschlafen (gerade aufgestanden) um halb neun auf dem Sofa und … erlebte zu meiner eigenen Überraschung den Sonnenaufgang mit. Im Sommer steht man nie früh genug auf, im Urlaub ist man immer an der falschen Küste (wo man nur Sonnenuntergänge mitkriegt), und da, mitten im Winter, kommt sie hoch – oder besser er, der Sonnengott – und leuchtet mich an, strahlend und fatal. Kam mir so in den Sinn, stammt aus einem Rilke-Gedicht über den Wind.
Das Licht kam in die Welt. Freuet euch! mahnte der alte Priester. Die Transzendenz wird jedoch nicht richtig greifbar, was aber auch an den Priestern liegt, die nicht richtig vermitteln können, wieso Christus den Tod überwunden hat. Sogar Papst Franziskus wünschte den Opfern eines Flugzeugabsturzes ewige Ruhe, weil es die Lehre ist, dass die Verstorbenen schlafen, bis sie aufgeweckt werden am Jüngsten Tage durch den Trompetenschall. Doch für sie ist das Schreiten durch die Schleier, das Hineingehen ins Licht wie eine Neugeburt, und dann wird gelebt, nicht geschlafen!
Das ist für mich die Botschaft: Fürchtet euch nicht, vor allem fürchtet den Tod nicht. Denkt auch nicht an ihn, lacht und lebt. Das Gryphius-Gedicht:
Die ewig-helle Schaar wil nun ihr Licht verschlissen /
Diane steht erblaßt; die Morgenrötte lacht
Den grauen Himmel an / der sanffte Wind erwacht /
Und reitzt das Federvolck / den neuen Tag zu grüssen.
Das Leben diser Welt / eilt schon die Welt zu küssen /
Und steckt sein Haupt empor / man sieht der Stralen Pracht
Ereleuchte den / der sich itzt beugt vor deinen Füssen!
Vertreib die dicke Nacht / die meine Seel umgbigt /
Die Schmertzen Finsternüß / die Hertz und Geist betrübt /
Erquicke mein Gemütt / und stärcke mein Vertrauen.
Gib / daß ich disen Tag / in deinem Dinst allein
Zubring: und wenn mein End‘ und jener Tag bricht ein
Daß ich dich / meine Sonn / mein Licht mög ewig schauen.
manipogo wünscht allen eine gesegnete Weihnacht!