Heilen mit Energie
Viele Themen interessieren mich, aber die sind gerade zu schwierig aufzuarbeiten. Bleiben wir bei einer Lektüre: dem Buch Among the Healers von Edith Turner (2006). Wie Gustafsson und Tranströmer ist sie erst kürzlich gestorben, vor einem Jahr, am 18. Juni 2016: am Tag nach ihrem 85. Geburtstag.
Auch ihr Mann Victor, den sie liebevoll Vic nennt, war ein bedeutender Ethnologe. Die beiden traten sogar gemeinsam dem Katholizismus bei und erforschten Pilgerzüge. Leider starb Vic, bekannt geworden durch seinen Aufsatz Vom Ritual zum Theater, schon 1983. Nun musste Edith alleine durch die Welt reisen und ihre Forschungsaufenthalte bestreiten. Hat sie gemacht, und Among the Healers transportiert uns über die Kontinente.
Ethnologische Feldforschung bedeutet, Monate mit den Leuten dort zu verbringen, ihr Vertrauen zu gewinnen, seine Vorurteile draußen zu lassen und alles für möglich zu halten. Leider gibt es nicht mehr viele Ecken der Welt, in denen Schamanen tätig sind, aber sogar in tristen Indianer-Reservaten, in denen Menschen in Autowracks nächtigen, wird noch nach alten Mustern geheilt.
Edith Turner schreibt, man heile mit Energie, mit Kraft und mit den Geistern. Sie erzählte davon, sie hat alles erlebt – wie in der Dunkelheit, nachdem die Trommeln verstummt waren, die Rasseln im Raum umherschwebten und unsichtbare Hände sie berührten. 1996 war sie bei einem Anthropologen-Kongress, doch viel kriegte sie am Anfang nicht mit. Ein Schwindel hatte sie ergriffen, sie blieb im Bett. Ihre Kollegin, mit der sie das Hotelzimmer teilte, traf einen anderen Wissenschaftler und erzählte ihm davon. Dieser spürte etwas und legte der Frau die Hand auf die Schulter; so solle sie das bei Edith machen, riet er. Als die Kollegin die Hand auflegte, entstand darauf Gänsehaut, und etwas Elektrisches durchfuhr Edith Turner. Gleich konnte sie wieder aufstehen. (Illustration: Elektrostatik-Demonstration im Museum Electropolis in Mulhouse, 2016)
Mit Wind oder Elektrizität, mit Atem und Wärme haben Patienten ihre Heilung beschrieben. Zu den Phänomenen, die Schamanen auslösen, gehören auch Regen und Donner, nichts ist undenkbar.
Ich bin derzeit auch in einer glücklichen Phase. Als ich mein Elektrizitäts-Manuskript abschickte, blitzte und donnerte es vor meinem Fenster wie Wochen schon nicht mehr, passend zum Thema. Eine Woche danach musste ich nach Freiburg, wollte aber erst nach Bollschweil, vor dem Berg. Eine schrecklich schwarze Wolke stand über dem Ort. Es war mir egal. Ich fuhr hin, um Constantin auf dem Markt zu treffen.
Und von hinten spürte ich bald warme Luft auf dem Rücken. Oben überholte mich blauer Himmel, der Wind trieb die Wolken weg. Minuten vorher hatte es über Bollschweil einen fürchterlichen Regenguss gegeben; ich traf ein bei herrlichstem Sonnenschein. Zufall ist das nicht. Ich glaube, unsere seelische Verfassung beeinflusst das aktuelle Wetter um uns herum.