Rapa Nui
Ein Artikel von Thor Heyerdahl, des norwegischen Forschers, über die Osterinsel und ihre massiven Steinmänner führte zu diesem Beitrag, da Pablo Neruda auch über sie geschrieben hat. Diese Statuen haben immer die Fantasie beflügelt.
Heute meint man, dass diese Moai, die groß wie ein Haus sind und von denen es über tausend gegeben haben mag, Häuptlinge oder Ahnen darstellen und damit als Bindeglied zwischen dieser und der jenseitigen Welt fungierten. Die Langohren – alle Moai haben lange Ohren und lange Nasen – sollen die geistige Elite gewesen, aber von den Kurzohren ausgerottet worden sein. Um sie zu transportieren, holzten die Insulaner, die Rapa Nui, den gesamten Waldbestand ab. Später warfen sie viele der Figuren um. 1722 kamen die ersten Europäer, und die einheimische Bevölkerung litt unter ihnen. Die Geschichte der Osterinsel kann man hier nachlesen.
Die Osterinsel gehört politisch zu Chile, obgleich sie 3500 Kilometer entfernt von deren Küste im Stillen Ozean liegt. Pablo Neruda war dort und hat seinen Zyklus Die abgeschnittene Rose (La Rosa separada, 1964) in 24 Kapitel unterteilt, 24 kurze Gedichte, die wechselweise mit Die Insel und Die Menschen betitelt sind. Er spielt mit dem Motiv des Touristen, der die Insel aufsucht, mit der stillen Strenge und dem Schweigen der Steingestalten konfrontiert wird, bevor er wieder in seine Alltagswelt zurückkehrt; es ist tatsächlich die Reise in eine andere Welt, und hoffen wir, dass der Massentourismus die Osterinsel verschont hat. Einige Auszüge (die Übersetzung stammt von Fritz Vogelgsang, der von 1930 bis 2009 gelebt hat, die Abbildungen begleiten in einem Das-Beste-Buch aus Norwegen, 1960-er Jahre die Ausführungen von Heyerdahl) :
Ich bin der Pilger
auf Wallfahrt zur Osterinsel, der seltsame
Caballero, und komme, an die Tore des Schweigens zu
hämmern:
auch einer von denen, die der Wind herbeibringt
mit einem Sprung durch die Luft übers ganze Meer:
hier bin ich, wie die anderen lästigen Pilger,
die auf englisch die Ruinen hätscheln und päppeln und
preisen,
erlesene Tischgenossen des Tourismus, dem Sindbad
ähnlich, dem großen Christof, ohne mehr zu entdecken
als die Rechnung an der Bar (…; I)
Als die Kolosse sich vermehrten
und aufrecht umhergingen,
bis die Insel von steinernen Nasen bevölkert war,
als sie durch Taten bestimmten, wer nach ihnen sein
sollte:
Söhne des Windes und der Lava, Enkel
der Luft und der Asche, da durcheilten sie
mit großen Füßen die Insel:
niemals wirkte so eifrig wie da
die Brise mit ihren Händen,
der Zyklon mit seinem Verbrechen,
Ozeaniens Unermüdlichkeit. (…; VII)
Die Gesichter zerstört in der Mitte,
zerbrochen und gestürzt, ihre großen Nasen
in die kalkige Rinde der Erde gepresst,
weisen die Giganten ― wem nur? keinem? ―
einen Weg, einen seltsamen Weg von Giganten:
da blieben sie zerschlagen liegen auf dem Marsch,
wie es gefallen, liegt da noch immer ihr wundersames
Gewicht,
die geweihte Asche küssend, heimkehrend
zum Magma ihrer Geburt, tödlich getroffen, zugedeckt
vom ozeanischen Licht, vom flüchtigen Regen,
vom vulkanischen Staub, und danach
von dieser Einsamkeit am Nabel der Welt:
der runden Einsamkeit des ganzen versammelten Meeres. (…; VIII)
O Turm des Lichtes, schmerzliche Schönheit,
die auf dem Meere Statuen und Ketten ausgebreitet hat,
Auge aus Kalkstein, Hoheitszeichen des weiten Wasser,
Schrei
eines trauerschwarzen Sturmvogels, Zahn der See, Braut
des Windes von Ozeanien, o Rose, abgeschnitten
vom Stamm des zerstückelten Rosenstrauchs,
den die Tiefe verwandelt hat zum Archipel,
o gewachsener Stern, grünes Diadem,
allein in deiner einsamen Dynastie,
unerreichbar noch immer, stets dich entziehend, öde
wie ein Tropfen, wie eine Traube, wie das Meer. (…; XVII)
Der Passant, auf Durchreise, der Zufriedene,
kehrt zurück zu seinen Rädern, um weiterzurollen, zu
seinen Flugzeugen,
und vorbei ist die feierliche Stille, zwangsläufig
lässt man hinter sich die durchsichtige Einsamkeit
von leuchtender Luft, von Wasser, von rarem und
klarem Weidegrün,
und flieht, flieht, flieht vor dem Salz, der Gefahr,
vor dem einsamen Rund im Wasser,
von wo die hohlen Augen des Meeres,
die Wirbelknochen, die Lider der schwarzen Statuen
dem erschrockenen Bürger der Städte ins Fleisch
gedrungen:
O Osterinsel, lass mich los,
zuviel ist das Licht, sehr ferne bist du,
und wieviel Stein und Wasser:
too much for me! Gehn wir! (XV)
∼∼∼≈≈≈∼∼∼
Die Rapa Nui waren Anfang September sogar in der Weltpresse, und das kommt nicht alle Tage vor, nicht mal alle Jahre. In La Serena in Chile (wo ich mal war) riefen sie am 3. September bei einer Konferenz eine maritime Schutzzone um ihre Insel aus, die groß ist wie die Meereszone, die ganz Italien umgibt (720.000 Quadratkilometer). In diesem Gebiet soll das Fischen nur auf die traditionelle Art der Rapa Nui erlaubt sein. So erklärte Poki Tane Haoa für die Regierung der Osterinsel. Dieses weit entfernte Paradies, schrieb La Repubblica, sei durch die Versäuerung des Pazifik, durch den wilden Fischfang und den Tourismus in Gefahr.