Bucht neun

Seit ich im Frühsommer meine Privatbucht am Rhein – Bucht neun mit Blick auf die Hartheimer Brücke vor dem Fessenheimer Wasserkraftwerk – entdeckte, habe ich eine Aufgabe: den Strand von Unrat zu reinigen. Zirka 20 gelbe Säcke voll mit Plastikmüll habe ich bislang mit dem Rad abtransportiert. Die Schwäne danken.

Das ist eine schöne Ecke mit Sandstrand und Muscheln auch. Dann folgt ein schmaler mit Riedgras bewachsener Streifen, bevor kunterbunt aufgetürmte Steine als Wellenbrecher hochführen zu einer begrasten Terrasse, die etwa zehn Meter breit ist. Dahinter wieder Steingetümmel, und den Weg oben vorbei sieht man nicht mehr. Ich baue mein Rad auf der Terrasse auf und bin alleine, unten das glitzernde Wasser mit manchmal 60 Schwänen plus einige Graugänse.

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Mit Plastikhandschuhen und einem gelben Sack streifte ich im Sommer also über den Strand und packte leere Flaschen ein und alles, was Plastik war. Viele dieser Relikte lagen da gewiss seit Jahren, so verwittert schienen sie. Das Gebiet ist schon Frankreich, liegt aber noch vor der Brücke. Niemandsland also, jedoch mit französischen Verbotsschildern. Darum kümmert sich kein Mensch, dachte ich. Doch dann war plötzlich meine Terrasse, deren Bewuchs unter der Hitze und dem Regen stark gewachsen war, gemäht. Irgendwelche gute Geister gibt es.

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Ich lese da Bücher und wandere die Terrasse entlang, wobei ich versuche, die Namen der vorüberkommenden Lastkähne zu entziffern: Deo gratias, Fide-Deo, Providence, My Way, Nausikaa, Leonie … Manche Schiffe kennt man, sie fahren nach Basel oder Mulhouse und wieder nach rechts, nach Norden. Erst Ende Oktober lernte ich die Seite www.marinetraffic.com kennen, die immer weiß, wo ein Schiff gerade liegt. Man muss nur den betreffenden Namen eingeben. Am Abend heißt es dann: Geschwindigkeit 0 km/h, Standort: Mulhouse. Oder: baltisches Meer.

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Tut mir gut, unbeachtet in meiner Bucht sitzen zu können. Ich freue mich darauf wie auf ein Treffen mit der Geliebten. Für sie mache ich meine Reinigungsaktion: dass sie wieder jungfräulich wird und scheinbar unberührt, eine Oase der Ruhe. In 40 Minuten mit dem Rad bin ich an dem Ort, der für mich wie ein Strand am Meer ist. Manchmal trifft man jemanden mit einem Hund, oder ein Jogger läuft oben vorbei. Ein privater Strand dennoch.

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Ich steckte ja lange in einer Krise fest, war über zwei Monate mutlos und fühlte mich verfolgt. Mein manipogo machte mir auch keine Freude mehr; kaum Abrufe. Aber nun für 2 Beiträge (die Märchen und das Jenseits) insgesamt 3300 Klicks, so ist der November ein Erfolg. Vielleicht ist manipogo eine Art Thermometer für meine Lebensenergie. Denn seit ein paar Tagen geht es besser . Ich hatte auch homöopathische Tropfen mit Gold (für Lebenskraft), und zuletzt, als ich den 20. Sack von meiner Bucht heimtansportiert hatte, sagte ich mir: Das ist der Ballast meiner Vergangenheit, das, woran ich dauernd denke. Wenn er weg ist, bin ich geheilt. (Dann vergaß ich ihn auf die Straße zu stellen.) Erst vor ein paar Tagen wurde er abtransportiert. Und ich bekam Leorad repariert zurück, meine Räder sind alle wieder einsatzbereit. Reset.

Foto: Jürgen Kuntke, in der Karibik, 2009. In this orange hour the light reads like Dante. / three lines at a time, their symmetrical tension, / quiet bars rippling from the Paradiso … (Walcott)

 

Ein Kommentar zu “Bucht neun”

  1. Regina

    Lieber Mandy! Schon viel gehört und sogar schon Federn zu sehen bekommen – schön, deine von Müll befreite und gemähte Privatbucht Nr. 9! Lieben Gruß Gina