Der Carabiniere schoss

Im November erschoss ein 53-jähriger Carabiniere seinen Vater, seine Schwester und seinen Schwager, bevor er die Waffe gegen sich selbst richtete. »Ruhige Leute, ich kannte sie alle«, jammerte der Bürgermeister von Sava in der Provinz Taranto. Wäre vielleicht nicht passiert, hätte der Mann nicht seine Dienstwaffe getragen.

Die Tat ist ein Argument gegen die Amerikaner, die an ihren Waffen festhalten wollen. Da ist Wut, Rachsucht, Mordlust – und dann denkt er an die Waffe und dreht durch. »Ich habe Scheiß gebaut«, rief der Mann aus Sava hinterher seine Kollegen an.

Nach der Theorie der US-Waffenfreunde sollte sich jeder bewaffnen, dann würde weniger passieren. Doch derartige Taten sind damit nicht zu verhindern. Dann müsste jeder eine Waffe bei sich tragen und jederzeit mit einem Angriff rechnen: Was für ein Leben wäre das! Eine Wiedererstehung des Wilden Westen mit Misstrauen überall. Und es passiert ja so schnell, hastdunichtgesehen liegst du erschossen da und deine Waffe unbenutzt im Halfter.

Da denke ich gerade an unerquickliche Szenen aus Pulp Fiction von Tarantino, dem Film von 1994. Da wird Waffengebrauch auch verherrlicht, und wir wissen aus dem Roman Gomorra, dass der Film Mafia-Killer nicht kaltließ, die Morde irgendwie nachspielten; das Leben ahmte den Film nach.

Aber man will auch gerecht sein. Serena Baldoni stellt in einer Chronik in ihrem Buch Rubate alla vita 40 Fälle von Bluttaten an Frauen dar, die man Femminicidio nennt (Mord an einer Frau), und nur in drei Taten war der Schuldige ein Carabiniere oder Polizist. In etwa 30 Fällen wird die Tatwaffe genannt: 13 Mal war es eine Schusswaffe, 5 Mal ein Messer, 4 Mal erschlug der Täter die Frau. Das italienische Justizministerium sagt: Meistens ist ein Messer die Tatwaffe. Von 2013 bis 2016 wurden 355 Fälle als Femminicidio gewertet. In 98 Prozent der Fälle war es ein Täter. Männlich. Es gibt vorbedachte Taten – darum, ihr Frauen in Italien, NIEMALS zu einer letzten Aussprache gehen, die dein Ex vorschlägt!! Bei spontanen Taten greift der Täter zu der ersten Waffe, die ihm in den Sinn kommt, und das ist eben oft ein Messer, das in der Küche herumliegt.

Der Carabiniere aus Sava gereit wegen Geldfragen in grenzenlose Wut. Seinen Vater und seine Schwester zu erschießen, das ist etwas, das unserer Spezies widerspricht. Da zeigt sich ein archaischer Trieb, der den Mann zum Herrn über Leben und Tod sich aufspielen lässt … und man muss die Rede von Andrea Camilleri gehört haben, dem 92-jährigen Autor der Montalbano-Romane, als er im Fernsehen den Femminicido, den Mord an einer Frau, Ex oder Partnerin, verurteilte.

Mit glasklarem, langsam gesprochenen Italienisch sagte er seinen Landsleuten, dass sie rückständig seien; diese Taten zeigten Italien als Land mit überholten Ehrbegriffen. Die Frau gehöre nicht dem Mann, und ihr den Tod zu geben, wenn er von ihr verlassen werde, sei barbarisch und eine Schande für unsere Zivilisation. Heute ist der UN-Tag gegen Gewalt an Frauen.

Nach dem Schreiben las ich die ersten Seiten des Buches Im Tal des Vajont (L’ombra del bastone) von Mauro Corona, eine wahre Geschichte. Schon auf den ersten 14 Seiten werden drei Untaten durch Männer erwähnt, die als Motiv Eifersucht und Liebesgier haben. Der Vater des Erzählers Zino Corona wird von einem Holzfäller erschlagen, der dessen Frau (Zinos Mutter) begehrte; ein anderer verübt einen Anschlag auf die Geliebte seines Bruders Bastianin, weil er nicht ertragen konnte, dass sie nicht ihm gehören sollte. Er gab ihr ein Gift, doch sie wurde nur verrückt und starb drei Jahre später in einer Anstalt. Ein dritter stieß seine eigene Geliebte, die schwanger war, in eine Schlucht, weil er eine andere hatte. Das alles ereignete sich im Tal Ende des 19. Jahrhunderts, und wie mag es erst in den Jahrhunderten davor gewesen sein?

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