Ein Epos für die Wüste
Die Wüste Sahara ist fast so groß wie Europa. Der Stamm der Tuareg – die blau verschleierten Männer, deren Frauen viel zu sagen haben – lebt dort und umfasst etwa 2 Millionen Menschen. Tuareg ist, 1981 erschienen, ein spannendes Abenteuerbuch von Alberto Vázquez-Figueroas, und nun las ich die Fortsetzung aus dem Jahr 2000, Die Augen der Tuareg, ein ebenso faszinierendes Werk.
Der Autor ist 1936 geboren, in Spanisch-Sahara aufgewachsen und hat mehrere Dutzend Romane geschrieben, von denen ich etwa fünf kenne. Vázquez-Figueroas war Journalist, bevor er Bücher verfasste, und sein erstes, eben Tuareg, wurde sein größter Erfolg. Er meint selbst (im Nachwort zu den Augen des Tuareg), für dieses werde man sich an ihn erinnern; er habe keine Fortsetzung schreiben wollen, aber dann geriet er mitten in die Rallye Paris-Dakar …
In Tuareg nimmt der »Targi« Gacel Sayeh zwei Gäste auf, doch Bewaffneten treten auf und töten einen der Männer, während sie den zweiten mitnehmen. Die Gastfreundschaft ist den Tuareg heilig, Gacels Ehre ist befleckt, und er setzt sein Leben ein, um die Schmach zu rächen; Rache ist eine nötige Rückzahlung und das Gesetz der Wüste bei schweren Verstößen. Immer schon musste der Mensch Verstöße ahnden, um sein Zusammenleben berechenbar zu gestalten.
Es gibt ein schreckliches Showdown, das Gacel nicht überlebt. Die Fortsetzung Die Augen der Tuareg folgt seiner Familie: der Mutter Laila und ihren vier Kindern, von denen einer den Namen des Vaters trägt und dann auch die Geschichte des Romans. Die Familie sucht sich einen Platz bei drei Palmen, gräbt einen Brunnen und versucht, dort ihr Leben zu fristen. Bis dann Autos auftauchen, die an einer Rallye teilnehmen, und einer der Fahrer bedroht Gacel mit einer Pistole und vergiftet den Brunnen mit Öl. Dafür muss er zahlen.
Gacel Sayeh und sein Bruder nehmen Geiseln und verhandeln mit den Rallye-Veranstaltern. Der Missetäter soll seine Hand verlieren, das Gesetz will es so. Nun rollte die Handlung ab, und die wenigen Tuareg bieten sogar einem bewaffneten Einsatzkommando Parioli, denn jene kennen die Wüste unter einer gnadenlosen Sonne, die den Sand und die Luft auf 50 Grad aufheizen kann, und wenn ein Sandsturm losbricht, gibt es keine Rettung.
Vázquez-Figueroas schreibt Abenteuerromane, die gut zu lesen sind. Er geht didaktisch vor und lässt seine Figuren alles aussprechen, was man wissen muss. Und so kritisiert er auch deutlich die Rallye, die es ja wirklich gab: Paris-Dakar wurde seit 1978 jedes Jahr ausgetragen. Schon 1986 starb der Veranstalter und Gründer Thierry Sabine mit anderen bei einem Hubschrauberabsturz, und in den 30 Jahren bis 2007 verloren 60 Menschen ihr Leben – darunter waren auch Kinder, die überfahren wurden. Ja, es geht und ging ums Geld und das Spektakel, die Wüste und Afrika waren nur Hintergrundfolie für den Irrsinn, mit Höllentempo sein Leben zu riskieren, was die Konsumenten finanzieren, indem sie fasziniert den Medienberichten zusehen . Die Araber und Afrikaner sehen ohnmächtig zu und haben nichts davon.
Am Ende des Buches rufen die Tuareg einen Aufstand aus, und die Rallye wird gestoppt. Die Fahrzeuge müssen mit Flugzeugen nch Norden transportiert werden. Was der Autor sich im Jahr 2000 ausdachte, geschah tatsächlich sieben Jahre später. Aus Sicherheitsgründen wurde die Austragung 2008 abgeblasen, und im nächsten Jahr verlegten die Organisatoren die »Dakar« nach Südamerika, wo sie heute noch stattfindet.
Ein kleiner Triumph für ein kleines Volk, das verzweifelt versucht, seine nomadische Lebensweise beizubehalten. In der Wüste sind sie Könige, die Tuareg, und dorthin kann sich die allmächtige Zivilisation nicht ausbreiten. Geld spielt dort keine Rolle. Doch ein eigener Staat wird wohl ein Wunschtraum bleiben.