Die schöne Dame von Lourdes

Ich habe mal wieder einen 500-seitigen Roman gelesen ― und mit Bewegung und Freude. Es ist die Geschichte der Bernadette Soubirous und die Geschichte Lourdes‘, wo sie in der Grotte Massabielle eine schöne junge Dame sah, die zu ihr sprach und die niemand sah als die 14-Jährige. Das Lied von Bernadette heißt der Roman.

Die Vorgeschichte ist schon abenteuerlich. Der österreichische Schriftsteller Franz Werfel hing mit seiner Frau in Lourdes in den Pyrenäen auf der Flucht vor den Nazis fest, 1940 war das. Er, der jüdische Autor, tat das Gelübde, er werde die Geschichte der Bernadette aufschreiben, wenn sie heil herauskämen. Sie schafften die Flucht in die Vereinigten Staaten, in 5 Monaten schrieb Werfel den Roman, 1941 erschien er und 1943 wurde er in den USA verfilmt. Es wurde sein größter Erfolg. Leider starb Franz Werfel, der große Autor, schon 1945 in Beverly Hills, 55 Jahre alt.

Das Buch wurde sein größter Erfolg. Ich denke, es ist auch eine realistische Darstellung, orientiert an  den tatsächlichen Geschehnissen und mit Liebe für die Hauptperson und die armen Leute geschrieben, die in die Madonna, deren Auftreten sie nur am Gesichtsausdruck Bernadettes erlebten, eine Hoffnung sahen. Zum ersten Mal trat die »Dame«, wie sie von dem Mädchen genannt wird, am 11. Februar 1858 auf. (99 Jahre vor meiner Geburt, auf den Tag genau, ein hübscher Zufall.)

Darstellung in Saas-Almagell (Wallis)

Darstellung in Saas-Almagell (Wallis)

Werfel schildert uns, wie die Vision Bernadettes, zu der sie starke Zuneigung empfindet, das Volk entzündet und zu Pilgerzügen zur Grotte führt. Die Behörden versuchen, der Volksbewegung Herr zu werden, die Kirche hält sich bedeckt, und Dechant Peyramale fragt ein ums andere Mal Bernadette: »Was hast du gesehen? Hat sie wirklich gesagt ›Ich bin die Unbefleckte Empfängnis‹?« Das allein wies auf die Muttergottes hin, und das Dogma der reinen Mutter war erst vier Jahre zuvor vom Papst aufgestellt worden.

Mit Bernadette portraitiert der Autor eine Heilige unserer Tage, die sich der Vision hingibt, deren Anweisungen folgt (Pilgerzüge sollen kommen, eine Kapelle soll errichtet werden) und sonst fast unbeteiligt bleibt, sich für ein Instrument und einen Kanal hält. Bernadette bleibt das bescheidene Mädchen vom Land, und man findet keinen anderen Weg, als sie in ein Kloster zu schicken. In einem solchen stirbt sie mit 35 Jahren, und in der Stunde ihres Todes haben alle das Gefühl, die Madonna, die jahrelang verschwunden blieb, sei zurückgekommen und segne die Sterbende. Bernadette wurde dann am 8. Dezember 1935 im Vatikan heilig gesprochen.

Statue der Madonna auf dem Monte Moro (Italien)

Statue der Madonna auf dem Monte Moro (Italien)

Der Dechant Marie Dominique Peyramale, der lange an Bernadette zweifelte, ist betroffen und tief traurig, und das sind wir auch, wenn wir die Szene von Bernadettes Tod lesen. Bald nach dem Auftreten der Dame gab es unerklärliche Heilungen, Lourdes wurde zum Kurort und Pilgerort und nach Paris zu der Stadt in Frankreich mit den meisten Touristen. Fünf Millionen Übernachtungen wurden zuletzt gezählt.

Lourdes wurde zu einem Zentrum der Christenheit, das in einem Atemzug mit Rom genannt werden darf. Kaum vorstellbar, dass die Vision der Bernadette Soubirous in einer Grotte, durch die bald eine wundertätige Quelle floss, dazu führte. Das alles war ein Wunder, das noch heute Bestand hat. Eine Kraft und eine Liebe kam herab, und beide wuchsen durch den Glauben der Menschen. Nicht allzu viele sind geheilt worden (meines Wissens sind 70 Heilungen als Wunderheilungen anerkannt), die Regeln der katholischen Kirche sind streng, aber erst im Jahr 2008 geschah es wieder: Die gelähmte Ordensfrau Bernadette Moriau, damals 69 Jahre alt, konnte wieder gehen. Der Bischof von Beauvais erkannte das Wunder an. Viele mögen zudem Linderung erfahren haben, und viele erhielten Hoffnung. Dafür war Bernadette zum Instrument ausersehen: eine Gnade, wie jede Heilung auch, unerklärlich und schön.

 

 

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