Wunderbar

In Landsberg am Lech gab es einmal die »Wunderbar« am Platz hinter der Stadtpfarrkirche; weiß nicht, ob’s die Bar noch gibt. Irgendwie war das Wunder bei mir Anfang September Thema. Das gibt es, dass ein Begriff sich breitmacht, und dann geschehen allerlei Wunder …

Nicht, dass jemand in meinem Altenpflegeheim geheilt wurde. Nein. Aber ich hatte ja den Roman über Lourdes gelesen, wie aus meinem jüngsten Beitrag hervorgeht, und Die besondere Beziehung bezog sich auf Marianne Williamson, die wiederum über A Course in Miracles schreibt und uns anregt, Miracle workers (Wunder-Arbeiter) zu werden. Wir alle seien Gottes Kinder und hätten das Zeug dazu, große Dinge zu tun als Sein Instrument.

Familie eines kranken Kindes bei dem Schamanen Poh in Sikkim, dem kleinsten indischen Bundesstaat nahe Nepal. Foto von Alice S. Kendall, 1971, courtesy of Library of congress, Wash. D. C.

Familie eines kranken Kindes bei dem Schamanen Poh in Sikkim, dem kleinsten indischen Bundesstaat nahe Nepal. Foto von Alice S. Kendall, 1971, courtesy of Library of Congress, Wash. D. C.

In einem Regal fand ich am Samstag Geheimes Wissen hinter Wundern von Max Freedom Long von 1985, fast wie neu. Der Autor hatte Anfang des 20. Jahrhunderts die Arbeit der Kahuna-Priester auf Hawaii untersucht und über deren Wundertaten berichtet: Sie konnten Tote erwecken, Tote sich materialisieren lassen, über Feuer gehen (einer der ersten zuverlässigen Berichte darüber) und Kranke heilen. Da fing ich gleich zu lesen an. Seit 25 Jahren – kann ich nun sagen – interessiert mich nichts mehr als das.

Am Sonntag war ich in der heiligen Messe in Staufens Kirche St. Martin, mit meiner Mutter. Pfarrer Johannes Frische sprach über das Evangelium: Christus heilt einen Taubstummen (meine Mutter fragte leise: Staubsauger?). Mit der Predigt war ich gar nicht zufrieden. Der Pfarrer stellte es so hin, als sei der Kranke nur irgendwie blockiert gewesen, psychosomatisch krank, und Jesus hätte ihn durch eine intensive Begegnung befreit. Sowas wie gelungene Pschotherapie. Dann zitierte er noch einen jungen Theologen, der definiert hatte, ein Wunder sei jedes Ereignis mit überraschend positivem Ausgang. Dann wäre ein Fußballspiel, das der SC Freiburg in letzter Minute gewinnt, auch ein Wunder.

Ich finde, man darf das Wunder nicht veralltäglichen. Ein Wunder ist so definiert, dass es letztlich unerklärbar bleibt. Doch heute will niemand Unerklärtes stehenlassen. Alles wird vereinnahmt und banalisiert. Freilich geschicht nichts gegen die Regeln der Natur; aber vielleicht kennen wir diese Regeln nicht gut genug oder glauben zu innig an die, die wir kennen. Damit blockieren wir uns selbst. Wir setzen uns Grenzen. Ich finde, aus den Jahrhunderten sind uns so viele wunderbare Geschichten überliefert worden, dass man nicht alle für erfunden oder übertrieben halten kann.

In der Seitenkapelle St. Anne der Kirche von Ottmarsheim, Peter und Paul

In der Seitenkapelle St. Anne der Kirche von Ottmarsheim, Peter und Paul

Nehmen wir Erlendur Haraldsson, den isländischen Parapsychologen, der in einem Buch Zitate von Isländern wiedergegeben hat, die von Geisterärzten in der Nacht geheilt wurden. Das kam ja auch bei den Materialisations-Medien Alec Harris und Minnie Harrison vor, über deren Leben ich zwei Bücher übersetzt habe. Die Wunder  von Lourdes sind 70. Nicht viele in 150 Jahren, aber es waren gewaltige Heilungen, die plötzlich und radikal sich vollzogen – Bedingungen für eine Wunderheilung.

Wenn wir wissen, was alles möglich ist, haben wir unseren Horizont erweitert. Es gibt dann keine aussichtslosen Situationen mehr; ein Ausweg ist möglich. Ein Stoßgebet mag helfen. Heilung ist auch in letzter Sekunde noch drin. Jemand mit Krebs schrieb schon sein Testament, als er sich plötzlich besser fühlte und am nächsten Morgen geheilt war. Die Ärzte kämpfen verzweifelt nicht nur gegen den Tod, sondern auch gegen ein Wunder, das sich scheinbar über ihre Kunst lustig macht. Denken wir an den Chirurgen Hamilton, der erfuhr, dass eine Frau trotz Koma noch Beobachtungen gemacht hatte. Er schob den Fall als ungeklärt ab, weil das Wissen, dass Bewusstsein ohne Gehirn tätig sein könnte, ihn an sich irrewerden lassen hätte müssen.

Haltet Wunder für möglich, jederzeit! Das gilt nicht nur im Fußball, sondern im Leben. Sonntagnachmittag hatte ich Dienst, und gegen Ende ging ich nochmal in den zweiten Stock, und in der Teeküche lag am Eingang das Buch Wunder wirken Wunder von Eckhart von Hirschhausen, als hätte es jemand extra für mich hingelegt, um mir zu zeigen: Da hast du eine Synchronizität und ein kleines Wunder, du.

 

 

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