Die schwarze Madonna von Loreto

Der Besuch bei der schwarzen Madonna von Loreto schließt meine Trilogie ab. Ich hatte nach Recanati fahren wollen, und da fiel mein Blick auf den Namen Loreto, und mir wurde gesagt: berühmter Wallfahrtsort. Die schwarze Madonna. Die Straße durch die Marken Richtung Meer, die Region durchschneidend, lief eben dahin, ich besuchte das Museum des Dichters Giacomo Leopardi und machte mich dann an den Anstieg hinauf nach Loreto.

Fuhr gleich über den Hauptplatz, vorbei an dem barocken Brunnen von Carlo Maderno, hinunter und dann wieder zurück, weil auf dem Wohnmobil-Serviceplatz kein Platz ist für ein Zelt. Ich quartierte mich im Hotel Blauer Delfin ein, zwei Sterne. Das Restaurant war voll eingedeckt, aber zum Essen kam kein Mensch, und ich war der einzige Hotelgast.

loretoSpäter trank ich ein Bier und schaute auf die Meeresküste weit entfernt, und später ging ich zur Madonna. Ich sah gerade noch den Bischof mit Mitra und Stab inmitten seines Gefolges davongehen; er hatte die 19-Uhr-Messe geleitet. Hinter dem Altar befindet sich ein viereckiges Gebäude aus groben Steinen. Die Gläubigen gehen hinein und berühren ehrfürchtig diese Steine. Es soll sich um das Geburtshaus Jesu handeln, das Engel im Jahr 1294 auf den Berg von Loreto stellten, wonach über dem Häuschen die Basilika errichtet wurde. Dort steht die Schwarze Madonna, gekleidet in fallende, wallende Kleider aus Gold. Vor ihr sinken die Gläubigen nieder.

 

080Noch später ging ich mit Pfeife und Bier nach draußen, wieder Wind, und in der Ferne glitzerten die Lichter naher und ferner Dörfer. Hie das Binnenland, dort das Meer: ein segensreicher Platz. Ein wenig unwirtlich war es aber. Dann hörte ich eine laute Stimme und ging ihr nach, betrat durch eine Pforte den Platz und stellte mich unter die Arkaden. Da sah ich es: Ein Mann mit Kreuz kam aus der Basilika, gefolgt von sieben Gestalten, die Rollstühle schoben, und danach kam noch ein Häuflein von 20 Personen mit Lichtern. Es war neun Uhr, schon dunkel, und als der Zug sich in Bewegung setzte, hörte man wieder die Stimme eines Predigers über den Platz schallen.(Links eine Madonna in einer Kirche von Loreto.)

Eine junge Stimme rezitierte:

Ave o Maria, piena di grazia, il Signore è con te, sei benedetta fra tutte le donne e benedetto è il frutto del tuo seno, Gesù … und eine ältere, müdere Stimme vollendete das Gegrüßet seist du Maria: Santa Maria, madre di Dio, prega per noi peccatori adesso e nell’ora della nostra morte Amen.

Dann hielt der Zug inne, und eine weibliche Stimme präsentierte das nächste Kapitel der Marienlitanei. Der Zug kam mir entgegen, ich verkroch mich hinter den Arkaden, da ich ja wie ein Obdachloser wirken musste mit meinem Bier. Ich betete mit. Sie zogen zurück, endlich sangen sie vor dem Haupteingang der Basilika mehrmals bitt für uns (prega per noi) in unterschiedlichen Tonlagen, und eine Stimme wünschte: Buona notte. Zehn Uhr.

Mit Hunderten Pilgern wäre das sicher noch beeindruckender, aber es kommen nicht mehr so viele wie einst, und sie reisen meist mit dem Auto an, sagte der Hotelbesitzer. Mit dem Auto zur Schwarzen Madonna! Beten ist der Ersatz für eine Opferhandlung, aber wer etwas will, soll auch etwas geben. Soll sich mühen und ein wenig schwitzen. Was keine Anstrengung kostet, ist einem weniger wert als das, was errungen wurde. Das ist das Problem heute: Alle sind bequem und wollen alles geschenkt überreicht bekommen, und kein Wunder, dass sich dann kein Glücksgefühl einstellt.

Die Schwarze Madonna wirkt traurig. Man will für sie nicht mehr leiden, also entzieht sie uns ihre Segnungen. Die Autopilger werden sich fragen, wo Gnade und die Präsenz der Maria bleiben, aber da sollten sie sich selber befragen. Die frühen Opferrituale waren grausam, aber wer von der Gottheit etwas will, muss in Vorleistung gehen und auch etwas hingeben.

Der nächste Tag war grau und sollte Regen bringen. Ich fuhr über Castelfidardo ans Meer und erreichte unter Geströpfel Pesaro, baute mein Zelt auf und war wieder einmal in Sicherheit. Jetzt und heute … werden die Tage wieder um ein Geringes länger. Das Licht nimmt zu.

 

Heute ist im Heiligenkalender der Tag von Angela Autsch. Sie wurde am 26. März 1900 in Nordrhein-Westfalen geboren, trat 1933 ins Trinitarier-Kloster ein, sagte, dass Hitler eine Geißel sei, wurde denunziert und nach Ravensbrück gebracht und dann nach Auschwitz. Dort starb sie am Tag vor Heiligabend; ihr Herz versagte bei einem Bombenangriff alliierter Kampfflugzeuge. Angela war ein Engel des Lagers. Eine jüdische Ärztin schrieb: »In dieses Irrenhaus kam Angela wie ein Lächeln der Morgenröte, wie ein Strahl des Sonnenlichts … Inmitten dieses fürchterlichen Elends entstand hier eine Insel der Zärtlichkeit.«

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