Die November-Themenwoche

Ich war nun eineinhalb Wochen in Bayern; Internetzugang hatte ich da nicht, aber einen Fernseher gab es. Die ARD bot ihre Themenwoche Leben mit dem Tod und suchte zu diesem Zweck alle möglichen besseren Filme heraus, die mit dem Tod zu tun hatten. Die schwierigeren Sachen schob sie in Richtung Mitternacht oder in den neuen Tag. Das hat sie schon immer so gemacht.

Es gab in der Woche von 17. bis 24. November auch eine Diskussion über das Leben nach dem Tod bei Anne Will, von der ich aber nur eine Rezension in der FAZ las. Ihr entnahm ich, dass da ein paar Halbpromis über etwas sprachen, von dem sie keine Ahnung hatten. Ein »Kabarettist und Atheist« war auch dabei. Die vielen tausend Nahtod-Erfahrungen (NDEs) wurden einer gestörten Gehirnchemie zugeschrieben, und Genaues weiß man nicht. 

In den USA wird derzeit ein Buch über eine NDE diskutiert. Es ist von Eben Alexander, der nach einer Meningitis sieben Tage im Koma lag und in Proof of Heaven: A Neurosurgeon’s Journey into the Afterlife von seiner Jenseitsreise erzählt. Die hartnäckigen Zweifler lassen sich nie umstimmen, aber wenn einer eine Chance hat, dann ist es ein Arzt; und Pim van Lommel (mit seinem Buch Grenzenloses Bewusstsein) und Eben Alexander sind Ärzte.       

Ein kleines Grab für die Urne. Erpfting bei Landsberg am Lech

Alle diese aufwendigen Unternehmungen, die in Büchern niedergelegt sind, dürfen nicht vergebens gewesen sein. Aber in dieser Gesellschaft labert man gern herum und ignoriert, was gestern war; man wird vieles neu erforschen müssen, was längst erforscht worden ist. Die ganze Gesellschaft gibt sich einer selbst gewählten Demenz hin und lebt schwungvoll im Augenblick. Reden, was einem der Augenblick eingibt, das tut man am liebsten. 

Am 23. November kam um 23.15 Uhr Das Ende ist mein Anfang von Regisseur Jo Baier. Bruno Ganz spielt den italienischen Journalisten Tiziano Terzani, der Jahrzehnte aus Asien für den »Spiegel« schrieb. Er hat Krebs und lebt seine letzten Tage. In der schönen Toskana erzählt er seinem Sohn aus seinem Leben. Da gibt es Tiraden gegen den Konsumismus, bei denen man ausruft: »Ja!« Spirituelle Werte fördern: ja! Aber dann redet Ganz mit seinem weißen Bart andauernd über sein Glück, Teil eines Ganzen, Teil der Natur zu sein, aufzugehen im All oder so, und einen mystischen Augenblick hat er auch erlebt, aber was kann ich damit anfangen?  

Das ist eine dem westlichen Menschen gut vermittelbare Botschaft: Du wirst zwar fort sein, bleibst jedoch Teil der Natur: der Tod sozusagen als positive Umweltmaßnahme: ein Konsument weniger, ein Häuflein Asche mehr. Aber vage genug bleibt das, im Goetheschen Pantheismus gehalten, dass sich jeder etwas  darunter vorstellen kann. Sterben ist im Film Männersache. Erika Pluhar als Gefährtin Terzanis darf kochen oder ihm aus dem Auto helfen, seine Tochter darf ihm sein Enkelkind zeigen, aber dem Sohn erzählt der Kranke sein Leben, und der Sohn hat dann auch das Privileg, alleine die Asche des Vaters verstreuen zu dürfen. (Bild: Am Seiteneingang der Kirche von Erpfting. Erinnere dich!)  

Die männliche Dominanz in den Medien unserer Gesellschaft führt dazu, dass häufig Vater-Sohn-Geschichten erzählt werden; auch Nokan von Jojiro Takita am folgenden Tag um 0.35 Uhr (das war sehr spät!), ein japanischer Film über die Zeremonie und das Herrichten der Leichname, war ein Vater-Sohn-Geschichte. Ein junger Musiker wendet sich vom Cello ab und hilft einem Unternehmer, Leichen für ihre Aufbahrung zu schminken. Wunderbar sind diese japanischen Rituale. Man kann sich nicht daran sattsehen. Die letzte Leiche ist der Vater des jungen Cellisten. Er versöhnt sich mit ihm.  

Das war ein auch humorvoller Film, bei dem nicht zu viel herumgeredet wurde. Das ist das Gute an Japan. Ein alter Mann verabschiedete sich von seiner guten Freundin und sagt: »Danke für alles. Wir treffen uns wieder.« Dann drückte er einen Knopf, und das Feuer verzehrte Sarg und Leichnam.  

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