Ein Gruftie in Amerika

Ich weiß, warum ich nicht mehr oft ins Kino gehe. Skyfall mit Bond oder Cloud Atlas der Brüder Wachowsky mit Tom Tykwer stehen zur Wahl: Action ohne Pause und konfuses Herumgemache über viele Stunden. Kurt Tykwer, der Vater des Regisseurs, veranstaltet im Landsberger Stadttheater das Filmforum mit dem Motto „Die besten Filme aller Zeiten“. Einen Film von 2011 mit Sean Penn habe ich da gesehen; na ja, der Eintritt war günstig, 6 Euro nur.

 

Die besten Filme aller Zeiten: Das sagt alles. Alle nehmen den Mund so voll. Niemand ist mehr mit dem reinen Handwerk zufrieden. Cheyenne (Sean Penn), der sich naiv gebende Ex-Rockmusiker im Film This Must Be The Place (mein in Landsberg gesehener Film), sagt: »Man meint, dass niemand mehr arbeitet, sondern alle nur etwas Künstlerisches machen.« Gut. Wenn sie das täten und damit zufrieden wären, wären wir auch zufrieden. Aber alle wollen uns immerzu zeigen, wie toll sie sind, wie genial ihre Werke und wie sensationell sie selber. Alles soll kultig und trendig wirken und  ganz besonders sein. Aber dann ist es doch nur eine dünne Idee, die aufgeblasen wurde. 

So war auch dieser Film von Paolo Sorrentino. Meine 30 Mitzuschauer werden ihn wohl als schräg und absurd, vielleicht gar als köstlich empfunden haben: ach, was für Bildeinfälle, wie verrückt. Aber wer die wirklich besten Filme aller Zeiten kennt, die eigenen, die natürlich objektiv die besten sind, musste das Epigonale dieses Zwei-Stunden-Werks schmerzhaft empfinden. Das Absurde wurde zelebriert und einem recht aufdringlich serviert.  

Wie Sean Penn sich als tuntiger, jammernder Rockstar in Rente mit schwarzer Mähne und schwarzer Kleidung – die Karikatur eines Grufties – durch die Gegend schleppt und träge Sätze absondert, als stünde er unter Drogen, das konnte einem gewaltig auf die Nerven gehen. Er lebt mit seiner Frau in einer ziemlich leeren Villa, und das dreht sich so im Kreis, bis Cheyennes Vater stirbt und er nach New York reisen muss. Dann wird es ein Road Movie, weil er einen Auschwitz-Aufseher sucht, der seinen Vater gequält hat. Den findet er, und am Ende darf der Ex-Aufseher lange Sätze sagen, die bedeutsam klingen, jedoch sinnlos sind.  

Der ganze Film sollte wichtig und gleichzeitig grotesk wirken, aber mir kam er planlos und willkürlich vor. Gut sind nur die Auftritte von David Byrne (Ex Talking Heads), dem die vergangenen 25 Jahre nichts anhaben konnten, und von Harry Dean Stanton, der nun uralt ist, aber noch sehr expressiv. Gute Landschaftsaufnahmen, hübsche Bildeinfälle, gewiss, wenngleich etwas effekthascherisch; aber es ist irgendwie alles pseudo, ein überambitionierter Bilderbogen. Und am Ende steht plötzlich Sean Penn da als »Normalo«. Er braucht kein Gruftie mehr zu sein, weil er begriffen hat, dass ihn sein Vater geliebt hat. So einfach ist das. So zieht der Regisseur am Ende seiner Figur die Hosen herunter und seinem Film auch.  

Es muss etwas passieren, also reiht man eben eine Episode an die nächste und denkt, dass alles schon irgendwie aufgehen wird, und so sind natürlich auch hunderte Bücher geschrieben: der vierte Fall von Kommissar X und der sechste Fall für Kommissarin Y. Das ist natürlich nur meine Meinung, beweisen lässt sich da nichts. Man muss die wirklich tollen Werke kennen, um die anderen einstufen zu können.

Ich denke manchmal an die Aussage eines Jazzmusikers aus New Orleans (in einer Ausstellung in St. Gallen), der schon vor vielen Jahren meinte, früher hätten die Zuhörer guten und echten Jazz verstanden, heute aber nicht mehr.      

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