Edmond Rostand
Als ich im Cyrano de Bergerac herumblätterte, fiel mir auf, dass ich den hundertsten Geburtstag seines Autors vergessen hatte. Das muss manipogo nun nachholen. Edmond Rostand, geboren in Marseille, starb am 11. November 1918, 50 Jahre alt. Sein Cyrano ist unvergessen.
Nach dem Ersten Weltkrieg grassierte die Spanische Grippe, die im Winter 1918 weltweit 50 Millionen Opfer forderte. Genau wird die Zahl nicht zu ermitteln sein. Allein in Indien starben 17 Millionen Menschen. Edmond Rostand war eines der Opfer. Am 28. Dezember 1897 hatte sein Stück in Paris Premiere, ein Durchfall wurde befürchtet, doch es wurde ein großer Triumph. Sein Autor wurde mit Ehrungen überschüttet und schon mit 33 Jahren in die Académie Française gewählt.
In seiner Rede zur Wahl sprach er über … Panache. Denn am Ende des Stücks sagt Cyrano, schon sterbend, zu seiner geliebten Roxane, er werde, wenn er zu Gott komme, etwas mitnehmen, sans un pli, sans und tache … Er hebt seinen Degen hoch, sagt et c’est (und das ist) … Roxane fragt: Et c’est? Und er antwortet: Mon panache. Vorhang. Das Wörterbuch übersetzt panache mit Würde, Haltung, Schneid.
Das hat Cyrano de Bergerac, der degengewandte Poet, zweifelsfrei. Nur in der Liebe nicht. Da ist er feig. Noch in seinen letzten Atemzügen wehrt er sich, vor Roxane zuzugeben, dass er sie liebt. Das ist die Tragik des Stücks. Cyrano ist mutig, aber er hat eine riesenhafte Nase. Darum hält er sich für hässlich. Roxane, die er liebt, favorisiert den schönen Christian, den Soldaten, der aber einfältig und phantasielos ist. (Rechts: Dépardieu als Cyrano, 1990)
Also flüstert ihm Cyrano alles ein, was er selbst empfindet, bis Roxane in Christian verliebt ist. Frankreich, das ist l’amour und die Liebe zum Wort. Christan stirbt bei einem Angriff, Roxane trauert, und Cyrano sagt beiseite, seinen Degen ziehend: Ich muss heute eigentlich sterben, denn, ohne es zu wissen, betrauert sie mich in ihm.
Viele Jahre später kommt Cyrano zu ihr und plaudert ausgiebig, ohne seine Liebe zu bekennen. Unglücklicherweise fällt ihm ein Balken auf den Kopf, er sieht dem Tod entgegen, Roxane versteht endlich und sagt: Ich habe nur ein Wesen geliebt und verliere es zum zweiten Mal! Es bleibt: sein panache.
Unvergesslich sein großer Monolog, den jeder Autor sich ins Stammbuch schreiben sollte. Darin sagt er – wunderbar Gérard Dépardieu in dem Film von Jean-Paul Rappeneau −, man solle unermüdlich arbeiten, ohne an den Ruhm zu denken, nur schreiben, was einem am Herzen liege, keine Kompromisse machen, und so werde man zwar vermutlich nicht berühmt, aber was man erreiche, habe man selbst erreicht.
Nein, nicht Werbung für sich selbst machen, sich nicht anpassen, aber: träumen, lachen, etwas empfinden, dem Herzen folgen. Der Monolog in dem Film von Rappenau wird von Dépardieu wild und schnell gesprochen, beim Weg die Treppe hinauf, und erst dann, als er allein und nachdenklich am Fenster sitzt, kommt die entscheidende Passage:
Non merci! non, merci! non, merci! Mais … chanter,
Rêver, rire, passer, être seul, être libre,
Avoir l’oeil qui regarde bien, la voix qui vibre,
Mettre, quand il vous plaît, son feutre de travers,
Pour un oui, pour un non, se battre ou − faire un vers!
Travailler sans souci de gloire ou de fortune,
A tel voyage, auquel on pense, dans la lune!
N’écrire jamais rien qui de soi ne sortit,
Et modeste d’ailleurs, se dire: mon petit,
Sois satisfait des fleurs, des fruits, même des feuilles,
Si c’est dans ton jardin à toi que tu les cueilles!
Puis, s’il advient d’un peu triopher par hasard,
Ne pas être obligé d’en rien rendre à César,
Vis-à-vis de soi-même en garder le mérite,
Bref, dédaignant d’être le lierre parasite,
Lors même qu’on n’est pas le chêne ou le tilleul,
Ne pas monter bien haut, peut-être, mais tout seul!
Im August 2013 hatte ich das Gedicht schon mal, fiel mir nun auf. Weil’s so schön ist, nun nochmal. Mein Taschenbuch mit dem Theaterstück zerfiel allmählich, weil ich es oft mitnahm; dann zerrte ich aus einem Second-Hand-Regal ein neues, auf dem die Notiz stand gekauft in Paris 1994. Das trage ich nun mit mir rum.
Etwas Neues kann ich dennoch bieten. Anfang März schrieb Maria Luisa Felici in ihrer römischen Zeitschrift Scienza e Cultura nel Mondo über den echten Cyrano. Savinien de Cyrano de Bergerac kam 1619 in Paris zur Welt und starb schon 1655. Seine beiden Hauptwerke sind Komische Geschichte der Staaten und der Reiche des Mondes sowie analog die komische Geschichte für die Sonne. Da geht es – im 17. Jahrhundert – um interplanetarische Reisen, die Unsterblichkeit der Seele und eine mögliche mehrfache Existenz, und Cyrano legt sich ins Zeug wie später Jules Verne und beschrieb Dinge, die erst später kamen wie die Elektrolampen, dass, so schließt Maria Luisa, man das schon fast ein paranormales Sehen nennen könnte, Präkognition eben oder fast Prophetismus.