Eros und Agape
Agape trat vor sechs Jahren in einem manipogo-Beitrag auf: Geheime Liebe. Auch Japaner trennen zuweilen Eros und Agape. Shimamura trifft in dem Roman Schneeland von Yasunari Kawabata eine junge Geisha, mit der er »ganz rein« beisammen sein will, und er hatte »diese Frau und seine Begierde streng auseinandergehalten«. Der schwedische Theologe Anders Nygren (1890-1978) schrieb schon 1930/36 das Buch Agape och Eros, und ich kann aus meinen Aufzeichnungen zitieren.
Nygren muss natürlich Plato erwähnen: Wenn der Mensch die Idee der Dinge erspähe, werde er vom Eros ergriffen, der Sehnsucht nach der reinen Welt der Ideen. Es sei die noch oben gerichtete Tendenz der menschlichen Seele. Die Liebe zur strahlenden Welt der Ideen ist eine Sensucht, am Göttlichen Leben teilzuhaben. Wenn die Seele die Ausstrahlung des Schönen erkenne, erhalte sie Flügel und erreiche die höchsten Sphären. Sein, Platos Eros ist jedenfalls der Wille zum Besitz. Das Gute zu lieben heißt, es besitzen zu wollen und auf ewig. Liebe ist daher immer ein Wunsch nach Unsterblichkeit. In diesem Wunsch zeige sich jedoch ein egozentrisches Streben.
Agape jedoch schließe jede Selbstliebe aus. Sie trete spontan und unmotiviert auf. Die Agape ist eine originale Konzeption des Christentums, und kein Weg führt von Eros zu Agape, meint Anders Nygren. Agape ist universell und allumfassend, ist eine kreative und werteschaffende Liebe. Agape will nichts erringen, nicht einmal Gottes Liebe; der Gedanke, etwas erringen zu wollen, ist ihr fremd. Der Begriff Agape ist für die Gottesliebe reserviert — für die Liebe Gottes zum Menschen. Durch den Heiligen Geist pflanzt Gott Seine Liebe in das Herz des Menschen. Gott ist Agape, Gott ist Liebe. Die Korinther, noch hellenistisch geprägt, kannten den Glauben, die Erkenntnis (gnosis), Eros (Liebe) und die Hoffnung; die Gnostiker waren den Frühchristen verhasst, weshalb Paulus die Gnosis wegließ und den Dreiklang Glaube, Liebe, Hoffnung formulierte, und die Liebe sei die stärkste von den dreien.
Aber, ach, Eros. Er plagt uns ja doch. Die griechische Dichterin schrieb, sie liege allein im Bett, untergegangen sei der Mond, und: »Es schüttelt meine Seele Eros, / wie der Wind auf dem Berg / durch die Eichen fegt / und löst die Glieder und bewegt sie, / süßes, unbezähmbares Raubtier.« Der Gliederlösende hieß Eros auch.
Die Troubadoure des Rittertums und die Mystiker des ausgehenden Mittelalters lebten im Geist der Agape. Eine Frau oder Gott anbeten, ohne den Gedanken an eine Erfüllung. Heinrich Seuse könnte man nennen, Dante Alighieri und Ibn Arabî. Sie lebten im 14. Jahrhundert. Die darauf folgende Renaissance nahm im 15. und 16. Jahrhundert das Eros-Motiv auf, während die Reformation wieder der Agape zuneigte. Luther verbot die Selbstliebe; wer wahrhaft liebe, werde eins mit Gott, dessen Liebe zu uns unmotiviert sei, grundlos, kreativ — eben bedingungslose Liebe.