Unvergleichlich

Muss schnell was loswerden, mal schau’n, ob’s klar wird. Die Quintessenz von dem, was folgt, ist: Du sollst nicht vergleichen! Nichts gegeneinander aufrechnen, nichts zueinander in Beziehung setzen: nicht vergleichen. Mit ruhigem Herzen zusehen und das beurteilen, was man vor der Nase hat. Mit Mitgefühl und Aufrichtigkeit.

Beim Fernsehen vergangenen Sonntag (der evangelische Gottesdienst im ZDF aus Pforzheim) sprach mich ein Mann an und sagte, er habe es satt, die alten Geschichten über die Deutschen zu hören. Was haben andere getan: der Bombenkrieg auf unser Land, die Amerikaner in Korea und Vietnam, Wälder entlaubt, Giftgas gesprüht. Dann erwähnte er syrische Flüchtlinge, einer hätte das Kapital von Marx übersetzt, da kämen nur die Besseren, während die Armen im Bombenhagel ausharren mussten.

Was sagt man dazu? Das übliche krause Gedankengemisch, das Leute heute bewegt. Kriege und Untaten kann man nicht miteinander vergleichen und soll es auch nicht, und wenn man die Syrer kritisiert, dann vergleicht man wiederum: Man misst sie an einer idealen Welt, die der Bürger in dieser verdorbenen Welt gern hätte. Die Armen hätten kommen sollen, die richtige Quote an Frauen, dann wäre die Sache stimmig. Doch dann hätte man kritisiert: Sind ja nur die Dummen gekommen, die helfen unserem Facharbeitermangel nicht ab, nur Geld wollen sie. Das hat den Mann auch bewegt: Dass sie einmal Hartz IV bekommen dürfen und dann besser dran seien als arme deutsche Bürger.

Schon wieder hat er verglichen. Statt den Menschen vor sich zu sehen, in einer schwierigen Lage. Eine Millionärin, die wegen ihres verlorenen Diamanten weint, ist traurig. Man muss sie trösten, weil sie ein leidender Mensch ist, und nicht sagen: Du bist reich, du hast kein Recht, traurig zu sein. Aber so denken heute Leute. Sie sind selbstgerecht geworden, ihr Besitz hat ihr Herz verhärtet. So entsteht das Dogma: Traurig sein darf nur ein Armer. Plötzlich schwingt man sich zum Richter über die Gefühle anderer auf und weiß immer, wie es sein müsste. Richtet nicht!

Nicht vergleichen passt auch zur Lehre Alfred Korzybskis, der meinte, man müsse auf die Identifikationen verzichten. Kein ist! Nichts ist wie etwas Anderes, Gras ist eben Gras und nicht unbedingt grün; was für ein Grün? Dass etwas wie was Anderes ist und besser oder schlechter als etwas Anderes, das unterminiert – wenn es um die Moral geht – unser Denken. So tun wir Unrecht. Wir sollen auch nur Gutes über andere sagen. Was sie gestern getan haben oder wie sie sind, was interessiert das?

Klar, man muss immer den Kontext im Auge behalten, und auch Assoziationen sind hilfreich, bringen uns weiter. Etwas erinnert immer an etwas Anderes, doch dabei zählt das Gemeinsame, nicht das, was besser oder schlechter ist. Da wird nicht verglichen, sondern nur gespielt, um neue Perspektiven zu gewinnen.

Auch klar, das christliche Weltbild zählt nicht mehr und das buddhistische kommt für uns nicht in Frage, also klammert man sich an ein seltsames gottloses Über-Ideal, das man sprachlich und gedanklich durchsetzen möchte. Das Ende der Religions-Diktaturen führt also zu einer neuen Diktatur ohne Kopf und Fuß.

Vergleichbarer (nein, assoziativ gemeint) Beitrag:
Das Vollständig Gute

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