Johnny Winter
Vor fünf Jahren starb Johnny Winter in einem Hotelzimmer in der Nähe des Flughafens Kloten. Im Bezirk Bülach, heißt es in den Nachrufen. Man weiß nicht, was er in Zürich wollte. Zwei Tage zuvor hatte er noch ein Konzert in Cahors in Frankreich abgeliefert. Irgendwo endet die irdische Reise für jeden.
Zufällig stieß ich auf ihn im Netz, und da ich die Gegend um den Flughafen gut kenne, hat mich das berührt. Da musste mir natürlich die vierte Rockpalast-Nacht in der Essener Gruga-Halle einfallen, 1979. Johnny Winter war 35, aber irgendwie alterslos. Ich war 22 Jahre alt und hatte ein Dutzend Freundinnen und Freunde einmgeladen, wir hockten im Kellerzimmer auf dem Boden, tranken und swingten mit der Musik.
Nach der J.-Geils-Band und Patti Smith kam Johnny Winter, ziemlich spät, so um fünf Uhr. Er spielte eine Stunde, bis es draußen tagte, und während er noch spielte, machte ich ein Fenster auf und lüftete. Weiß ich noch. Gerade jetzt, beim Schreiben, höre (und sehe) ich den Mitschnitt von damals. Unvergessen. Johnny trug ein Leder-Käppi auf seinen langen weißen Haaren, war schlaksig und zelebrierte seine Kunst als bester weißer Blues-Gitarrist. Es wollte kein Ende nehmen, und zwischendurch stieß er immer ein kehliges »Yeah« aus, auch das bleibt einem im Gehör.
Wie er damals Messin‘ With the Kids ansagte, in seinem dumpfen Texas-Slang mit den glottal stops! »Thank you. Yeah, here we go, one other borrow, last album White and Hot and Blue, this is one that Junior Wells did, called Messin‘ With the Kids. − One, two, three, four!« Call it how you wanna, I call it messin’ with the kids! Der Bass präzise, seine Gitarre jault drüber, variiert und umspielt das Thema in den höchsten Tönen.
Heute versteht das vielleicht keiner mehr, aber das läuft runter, kann auch ewig weitergehen, der Mitschnitt dauert eine Stunde, während ich gedacht hatte, Johnny habe drei Stunden gespielt. »You’re ready Jon? Okay, you got it!« Walking By Myself. I just want to be your loving man. Anfang der 1970-er Jahre hatte er wegen Heroin-Sucht zwei Jahre aussetzen müssen. »If there wouldn’t be the Blues, there wouldn’t be the Rock ’n’Roll«, sagte Johnny vor den Mississippi Delta People, und recht hat er.
Durch den Rockpalast-Auftritt wurde Johnny Winter in ganz Europa bekannt. Am 12. Mai 2007 spielte er nochmal Rockpalast, in Bonn, und er kam nach Rick Derringer und der Band seines Bruders Edgar Winter auf die Bühne. Und 2012 tourte er durch Deutschland. Geboren wurde Johnny Winter am 23. Februar 1944 in Beaumont in Texas, und als er starb, war er 70 Jahre alt.