Alles Trauma oder was?

Vor einiger Zeit gab es in Staufen einen Vortrag über transgenerationale Trauma-Weitergabe oder so ähnlich. Wie wirken sich schlimme Erfahrungen in den nächsten Generationen aus? Interessante Frage, ich bin hingegangen, ein Psychologen-Ehepaar referierte, und eine Stunde hielt ich es aus. Zum Glück machten sie ein Spiel, bei dem die Zuhörerinnen im Raum umhergehen mussten, und ich ging hinaus.

Ich halte nicht viel von Psychologen, und der Vortrag bestätigte meine Vorurteile. Viel unsauberes Denken, viel Dogmatik, und am Ende war irgendwie alles Trauma und bedenklich. Psychologisierung und Pathologisierung. Wer ein Konzept hat, neigt dazu, es auf alles auszudehnen, doch damit wird im Reich der Seele auch viel Schaden angerichtet. Wer große Probleme hat, dem mag es helfen, sie auf Vorväter- und -mütter zurückzuführen, doch wenn dann natürliche Charakterzüge hinterfragt werden und unter Generalverdacht geraten (wo kommt das her?), tritt Verunsicherung ein.

Wenn du etwas erreichen und reich sein willst, ist das womöglich Reaktion auf die Hoffnungslosigkeit der Kriegsgenerationen; wenn du viel tust, ist das Getriebensein und könnte auch damit zu tun haben; wenn du nichts tust, ist das Verweigerungshaltung; wenn du zeitweilig Lebensangst hast, spielt auch die Angst der Kriegsgeneration mit. In dem Vortrag schwamm irgendwie alles durcheinander. Man muss sagen: Manche Charakterzüge sind eben da, manche sind der Lebensstil unserer Zeit; nationale Eigenheiten prägen sich in Jahrhunderten aus und pflanzen sich fort; konkrete schreckliche Ereignisse werden aber gewiss weitergegeben und machen den Nachgeborenen zu schaffen. Man weiß aus Untersuchungen, dass die Nachkommen von Juden, die die Nazilager überlebten, das Trauma mitbekamen und darunter litten; die vage Lebensangst der Deutschen und die Panik in den letzten Kriegstagen wird man damit jedoch nicht vergleichen wollen.

Dann hatten die Referenten eine Marotte, die mir auf den Nerv ging. Sie sagten immer: in die Heilung kommen, in die Heilung bringen; sie gehen in Resonanz, man geht in die Rolle, das Ganze geht in ein Phänomen … alles ging irgendwohin. Das ist Verwaltungssprache, dies Substantivierung. Natürlich heilt die Psychologin nicht, das tut selbst die Patientin, aber will ich von jemandem in die Heilung gebracht werden, muss ich in eine Krise gehen? Dass die Dame Carl Gustav Jung als Freud-Schüler betitelte, gefiel mir auch nicht, ist aber logisch:  Akademische Psychologen halten nichts von Jung (dessen Kollektives Unbewusstes sie auch verkürzt darstellte), doch er gibt die Richtung an: Man hätte auch von Karma und Reinkarnation sprechen können, doch dazu ist unsere Psychologie zu westlich und zu irdisch.

Dem Vortrag mit Spielchen und allem wohnten 40 Frauen bei und vielleicht 4 Männer. Die Männer bleiben lieber gemütlich zu Hause und schauen vielleicht ein Fußballspiel an. Der Referent sagte etwas von weichen Themen, von denen diese Männer wohl nichts hielten, aber manchmal muss man ihnen, den renitenten Männern, Recht geben. Bleibt auf dem Boden, lasst euch bloß nicht verrückt machen!

 

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