Inkas, Mayas und Azteken
Reay Tannahill schreibt in ihrem Buch Sex in History (es wird Anfang Dezember vorgestellt) auch über die Raubzüge der Spanier in Südamerika nach 1492. Die Eroberer meinten, sich alles erlauben zu können, denn, so hieß es, »irrationale Kreaturen haben keine Rechte«; also sollten sie auch nicht über Land verfügen dürfen. Man nahm es ihnen weg und brachte sie auch um. Alle denkbaren Perversionen wurden den Ureinwohnern nachgesagt, und auf dem alten Kontinent glaubte man alles willig und war entsetzt.
Man glaube eben lieber das Schlimme als das Gute, bedauerte der Dominikaner Bartolomé de las Casas, und nicht einmal die Überzeugung Papst Pauls II., die Indianer seien wirkliche Menschen, 1537 geäußert, half. Für die Conquistadores waren sie Tiere. Als sich die Lage klärte und die Fakten auf dem Tisch lagen, schreibt Frau Tannahill, zeigte sich, dass homosexuelle Umtriebe, Inzest, Ehebruch, Vergewaltigung, Mord und Diebstahl bei den Inkas und Azteken ebenso illegal waren wie in Spanien — ja, dass sogar Trunkenheit bestraft wurde, der man sich im gut katholischen Spanien bedenkenlos hingeben konnte. Doch es war zu spät. Die Menschheitsmeinung hatte die Lateinamerikaner zu Unmenschen und zu Freiwild erklärt.
Drei kulturelle Zentren gab es, als die Spanier 1492 über den Noden des Halbkontinents hereinfielen: die Azteken im Tal von Mexiko, die Inkas in Peru sowie die im Verschwinden begriffenen Mayas von Yucatan. Das Reich der Azteken und Inkas war jünger und streng hierarchisch aufgebaut. Bei den Mayas war Homosexualität akzeptiert. Junge Männer trafen sich mit anderen, bis sie heirateten, und später — nach der Heirat — standen gleichgeschlechtliche Kontakte höher im Kurs als heterosexuelle Abwege. Das hatte sich so eingespielt. Bei den Vorläufern der Azteken wurde öffentlich betriebene Homosexualität allerdings ebenso hart bestraft (mit dem Tod) wie weiter südlich in Peru bei den Inkas. Deren autoritäre Herrscher löschten in einem großen Feldzug alle angeblichen Homosexuellen aus, wonach auf 15 Frauen nur noch ein Mann kam.
Die Inkas dehnten innerhalb von 60 Jahren ihr Herrschaftsgebiet von Quito in Ekuador bis zum Süden des heutigen Chile aus, was sich auf 3000 Kilometer Länge summiert. Der Inka war der Vater seines Volkes, ein Sonnengott, und er durfte nur ein anderes Sonnenwesen heiraten: seine Schwester. Das führte zu Inzest, der im Volk indessen hart bestraft wurde. Der Inka hatte auch einen Harem, bestückt mit hübschen Mädchen, die im Alter von zehn Jahren ausgewählt, ihren Eltern weggenommen und erzogen wurden. Geheiratet wurde spät; erst testeten die beiden potenziellen Partner, ob es im Bett auch gut lief. Polygamie war erlaubt, was den Frauen, die die Mehrheit stellten, die Möglichkeit gab, zu heiraten. Die Geburtenrate lag nicht besonders hoch, und die Inkas waren zu Recht besorgt.
Die Azteken schlachteten nicht ihre Homosexuellen ab, sondern opferten junge Männer: man meint, 700 an jedem Tag, den der Herr werden ließ, in den verschiedenen Tempeln des Landes. Wir müssen die Götter besänftigen, hieß es, sonst werden wir ausgelöscht. In drei Jahren verschwand also eine Million Männer, und das Volk bestand nur aus 25 Millionen. Da half es wenig, dass das Heiratsalter herabgesetzt und Abtreibungen verboten wurden. Und dann kamen die gewissenlosen Europäer.
Reay Tannahill schreibt über die Spanier, sie hätten sich nicht in Lateinamerika niederlassen wollen; ihre Frauen blieben zu Hause. Das führte zu ungezügeltem Sex mit den einheimischen Frauen, und die Frucht davon waren Mestizen, die das Glück hatten, durch ihre europäischen Gene immun gegen die Krankheiten zu sein, denen die Einheimischen massenhaft zum Opfer fielen. 150 Jahre nach der Ankunft der Spanier hatte sich die indigene Bevölkerung Mexikos, Yucatans und Perus von 35 Millionen auf 4 Millionen reduziert. Man meint sogar, dass in Lateinamerika insgesamt 100 Millionen Menschen an europäischen Krankheiten wie Pest, Typhus und Lepra starben. Die Mestizen überlebten und bildeten den Grundstock für ein neues Volk in Mittel- und Südamerika.
Und nun noch, frisch mir gesendet, ein paar Bilder aus dem heutigen Lima, der Hauptstadt von Peru, gelegen am Meer.